Ungebetene Dauergäste: Fast 2000 invasive Arten in Deutschland heimisch
Eine neu veröffentlichte Studie präsentiert erstmals eine umfassende Liste etablierter nicht-heimischer Arten in Deutschland, einschließlich der betroffenen Lebensräume, Herkunftsregionen und der dokumentierten Auswirkungen.
Die meisten dieser 1962 Arten sind Pflanzen und Insekten, wobei 80 Prozent an Land leben. Besonders häufig wurden die Tiere und Pflanzen aus benachbarten europäischen Ländern, Asien und Nordamerika eingeführt.
Die Studie zeigt, dass bei fast 98 Prozent der Arten die Auswirkungen auf heimische Ökosysteme und die Wirtschaft noch unbekannt sind.
Der Damhirsch (Dama dama), das Europäische Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) oder der Jagdfasan (Phasianus colchicus) – diese Arten wurden bereits vor etwa 1000 Jahren in Deutschland eingeführt.
„Während früher Tiere und Pflanzen hauptsächlich für Jagd- und Freizeitaktivitäten ins Land gebracht wurden, haben sich mit dem globalen Handel und der veränderten menschlichen Mobilität auch die Einführungswege von gebietsfremden Arten verändert“, erklärt Dr. Philipp Haubrock, vormals am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, heute am Department of Life and Environmental Sciences, Faculty of Science and Technology an der Bournemouth University in Großbritannien beschäftigt und fährt fort: „Neben landwirtschaftlichen Einführungen spielen heute die Haltung und Freisetzung von Organismen und der Tourismus eine entscheidende Rolle.
Der Anstieg des Online-Handels und die globale Bewegung von Waren haben das Risiko der Einschleppung nicht-heimischer Arten durch Verpackungen und Produkte zusätzlich erhöht.“
Haubrock ist Erstautor einer neuen Studie, in der die erste umfassende Liste etablierter nicht-heimischer Arten in Deutschland erstellt wurde, einschließlich der betroffenen Lebensräume, Herkunftsregionen und der dokumentierten Auswirkungen.
Gemeinsam mit Kolleg*innen aus Tschechien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland zeigt er, dass es in der Bundesrepublik 1962 etablierte, nicht-heimische Arten aus 594 Familien und 35 Stämmen gibt.
„Aufgrund seiner zentralen Lage in Europa und seines umfangreichen Handelsnetzes ist Deutschland besonders anfällig für die Einführung und Ausbreitung nicht-heimischer Arten“, erläutert der Gewässerbiologe und ergänzt: „Die meisten der in Deutschland eingeschleppten Arten sind Pflanzen, dicht gefolgt von Insekten und – mit größerem Abstand – von Wirbeltieren. Rund 80 Prozent dieser Arten leben an Land, einige kommen in Feuchtgebieten vor.
Nur ein kleiner Teil – weniger als fünf Prozent – besiedelt Süßwasserlebensräume oder andere spezielle Lebensräume.“ Einführungen aus benachbarten europäischen Ländern und aus Asien waren im Vergleich zu anderen Regionen am häufigsten.
Auch Einführungen aus Nordamerika traten sehr häufig auf, was darauf hindeutet, dass Mechanismen des Ferntransports eine wichtige Rolle beim Eindringen nicht-heimischer Arten spielten, heißt es in der Studie. Haubrock fügt hinzu: „Die meisten etablierten, invasiven Arten wurden in Bayern gemeldet, dicht gefolgt von Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.
Wenn man die Zahlen im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße betrachtet, zeigen sich besonders viele dieser Arten in den ostdeutschen Bundesländern – Spitzenreiter ist aber Bremen.“
Was die Daten der Forschenden ebenfalls zeigen: Es gibt große Wissenslücken darüber, welche Auswirkungen gebietsfremde Arten in Deutschland tatsächlich haben. „Bei 97,9 Prozent dieser Arten sind die Auswirkungen auf die heimischen Ökosysteme und die Wirtschaft nicht erfasst.
Selbst bei bekannten Arten wie dem Waschbären oder der Nilgans wurden bisher kaum ökologische oder wirtschaftliche Schäden nachgewiesen. Doch nur weil noch keine Schäden dokumentiert wurden, heißt das nicht, dass keine vorhanden sind“, so Haubrock.
„Die Nilgans beispielsweise, die ursprünglich aus Afrika stammt und sich seit den 1980er-Jahren stark in Deutschland ausgebreitet hat, macht heimischen Wasservögeln Konkurrenz um Brutplätze und Nahrung.
Mit ihrem aggressiven Verhalten kann sie lokale Ökosysteme stören und die Artenvielfalt gefährden. Auch für die Landwirtschaft stellt sie ein Problem dar, da sie Felder und Pflanzen beschädigt.“
Die Forschenden betonen, dass die Katalogisierung der etablierten, nicht-heimischen Arten in Deutschland politischen Entscheidungsträger*innen ein klareres Bild vermittelt, welche Arten bereits vorhanden sind, wie sie sich ausbreiten und welche Auswirkungen sie haben können.
„Ziel ist es, rechtzeitig wirksame Strategien für das Management dieser Arten zu entwickeln. Eine nach Prioritäten geordnete Liste ermöglicht es, Ressourcen gezielt einzusetzen und die Bemühungen auf die dringendsten Herausforderungen zu konzentrieren.
Indem die Öffentlichkeit über prominente Beispiele und die Risiken invasiver Arten informiert wird, können zudem weitere Einführungen und unbeabsichtigte Ausbreitungen verhindert werden“, schließt Haubrock.
Publikation
Haubrock, P.J., Soto, I., Cano-Barbacil, C. et al. Germany’s established non-native species: a comprehensive breakdown . Environ Sci Eur 37, 56 (2025)
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