Fossilien von acht Elefantenartigen aus der Allgäuer Fundstelle Hammerschmiede untersucht

(22.09.2023) Team der Universität Tübingen und des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment untersucht Fossilien von acht Individuen der Elefantenartigen aus der Allgäuer Fundstelle.


Unterkieferknochen mit Milchzähnen (oben) und Milchhauer, dem unteren Stoßzahn, (unten) des jungen Deinotheren Deinotherium levius aus der Hammerschmiede

Während in der heutigen Tierwelt der Tropen nur drei Elefantenarten aus Afrika und Asien bekannt sind, waren die Artenvielfalt und die Verbreitung der Rüsseltiere in der Erdvergangenheit deutlich größer. Aus der Fundstelle Hammerschmiede bei Pforzen, die durch den ersten zweibeinigen Menschenaffen Danuvius guggenmosi – genannt „Udo“ – weltweit bekannt wurde, untersuchte ein Tübinger Forschungsteam nun erstmals die Überreste von Rüsseltieren.

Sie lebten zur gleichen Zeit wie Udo vor rund 11,5 Millionen Jahren in der Allgäuer Landschaft. Die Funde von acht Individuen ließen sich zwei Arten zuordnen. Seine Ergebnisse veröffentlichte das Team von der Universität Tübingen und dem Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment nun im Fachmagazin Journal of Mammalian Evolution.

Rüsseltiere sind die größten Landsäugetiere, die wir kennen. Vier der nun untersuchten Tiere aus der Hammerschmiede gehören zu den ausgestorbenen Hauerelefanten (Deinotherien – vom altgriechischen Wort „deinos“ für schrecklich und „therion“ für Tier).

Diese primitive Familie der Dickhäuter hatte sich in der Evolution vor 30 Millionen Jahren von den übrigen Rüsseltieren getrennt. Ihre charakteristischen Merkmale sind rückwärts gekrümmte, hauerartige untere Stoßzähne. Zudem fehlen die sonst für Elefanten typischen oberen Stoßzähne. Diese Funde, bei denen es sich überwiegend um Jungtiere handelt, wurden der Art Deinotherium levius zugeordnet.

Neben Danuvius eingebettet: ein Hauerelefantenbaby

„Von besonderer Bedeutung ist eine Entdeckung aus dem Jahr 2020, da wurde erstmals ein Teilskelett eines wenige Monate alten Deinotheriumbabys gefunden“, berichtet Dr. George Konidaris, der Erstautor der neuen Studie.

Das durch 24 Skelettelemente – darunter Unterkiefer, Rippen, Becken sowie Schien- und Wadenbein – dokumentierte Jungtier habe in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Weibchen von Danuvius gelegen.

Der Fund sei ein Glücksfall für die Wissenschaft. „Noch nie zuvor war ein Jungtier eines Hauerelefanten entdeckt worden, das sowohl die bleibenden Hauer als auch noch deren Vorläufer aus dem Milchgebiss aufweist.

Diese kurze Phase im Leben der Rüsseltiere wird selten durch Fossilien dokumentiert. Der Fund hat daher große Bedeutung für ein besseres Verständnis der Individual- und Lebensgeschichte der Deinotherien.“

Tatsächlich handelt es sich bei dem Fund aus der Hammerschmiede erst um den dritten Nachweis weltweit von Milchhauern bei Deinotherien. „Der Milchhauer des Jungtiers wurde gleich neben dessen Unterkiefer gefunden. Computertomografische Aufnahmen vom Kiefer zeigen außerdem die Keime der permanenten Hauer, die bereits tief im Knochengewebe angelegt waren“, stellt der Grabungsleiter der Hammerschmiede Thomas Lechner fest.

Der Unterkiefer weist ansonsten keine weiteren Zahnkeime auf, nur Milchbackenzähne. Daraus schließen die Forscher, dass die permanenten Hauer bei den Hauerelefanten bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Entwicklung durchbrachen, noch während das Milchgebiss komplett war – ähnlich ist es bei den heute lebenden Elefanten, ihren entfernten Verwandten. Die Hauer waren demnach die ersten sichtbaren Zähne im Dauergebiss dieser Tiere.

Tetralophodon – der Riese aus der Hammerschmiede

Die zweite Rüsseltierart der Hammerschmiede ist der elefantenartige Tetralophodon longirostris. Diese höckerzahntragenden Rüsseltiere unterscheiden sich von echten Elefanten und Mammuts auch durch den Besitz von Stoßzähnen sowohl im Ober- wie auch im Unterkiefer.

Das bedeutendste Exemplar der vier Individuen aus der Hammerschmiede ist ein Teilskelett eines ausgewachsenen Bullen, welches bereits vor mehr als 40 Jahren durch die beiden Allgäuer Privatsammler Sigulf Guggenmos und Manfred Schmid ausgegraben wurde.

„Aufgrund der mächtigen Stoßzähne sowie der Größe und des Abnutzungsgrads seiner Backenzähne vermuten wir, dass es ein Männchen im Alter zwischen 37 und 48 Jahren war. Sein Lebendgewicht waren gut zehn Tonnen und die Schulterhöhe etwa 3,5 Meter“, erklärt George Konidaris.

Die Art der Abnutzung der Zähne verrät den Wissenschaftlern zudem einiges über das Nahrungsspektrum dieser Dickhäuter. Während Tetralophodon wahrscheinlich eine Mischnahrung aus Blättern, Zweigen und Gras bevorzugte, war Deinotherium ein reiner Blattfresser, so Panagiotis Kampouridis, Doktorand und Mitautor der Studie. Diese unterschiedlichen Nahrungsnischen ermöglichten die Koexistenz der beiden großen Pflanzenfresser im Ökosystem Hammerschmiede.

Klimawandel vor zwölf bis elf Millionen Jahren

Die Funde der Dickhäuter aus der Hammerschmiede seien für die zeitliche Einordnung der Evolution dieser Rüsseltiere von herausragender Bedeutung, resümiert Professorin Madelaine Böhme, die Leiterin des Forschungsprojekts Hammerschmiede.

Das gemeinsame Vorkommen beider Arten in Europa dokumentiere einen kurzen Zeitabschnitt zwischen zwölf und elf Millionen Jahren vor heute, der durch relative Trockenheit und sehr hohe Temperaturen gekennzeichnet war, erklärt die Wissenschaftlerin.

Der nach Europa migrierte Tetralophodon habe sich in dieser Phase gegenüber primitiveren höckerzahntragenden Elefantenartigen durchgesetzt. Das nach elf Millionen Jahren zunehmend feuchter werdende Klima führte dann zu einem Umbruch bei den großen Säugetieren Europas. 

Die zunehmende Bewaldung bot den blattfressenden Hauer¬elefanten reichlich Nahrung und ermöglichte ihnen eine weitere Zunahme ihrer Körpergröße, was zur Evolution der neuen Art Deinotherium giganteum führte.

Die Ausgrabungen in der Hammerschmiede wurden durch die Universität Tübingen, die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und den Freistaat Bayern finanziert.




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