Fossil gibt Aufschluss über Ursprung der Großhirnrinde bei den Säugetieren

(21.06.2017) Schon ein früher Verwandter der Säugetiere besaß ein stark vergrößertes Gehirn mit einer säugetierähnlichen Großhirnrinde. Entdeckt hat das Michael Laaß vom Institut für Allgemeine Zoologie der Universität Duisburg-Essen (UDE).

Säugetiere besitzen große und leistungsstarke Gehirne. Aber wie sieht es mit ihren Vorfahren, den Therapsiden, aus? Wann und unter welchen Umständen entwickelte sich die Großhirnrinde?

Für seine Doktorarbeit untersuchte der Geologe gemeinsam mit Dr. Anders Kaestner vom Paul Scherrer Institut in der Schweiz einen etwa 255 Millionen Jahre alten fossilen Schädel des Therapsiden Kawingasaurus fossilis mittels Neutronentomographie und rekonstruierte die Innenanatomie des Schädels dreidimensional am Computer.

Heraus kam Erstaunliches: Sein Hirnvolumen war zwei- bis dreimal größer als bei allen bisher untersuchten Therapsiden. „Kawingasaurus besaß ein bereits stark vergrößertes Vorderhirn mit zwei deutlich ausgebildeten Hirnhälften“, so Laaß.


Aufnahmen Kawingasaurus-Schädel

Offenbar entwickelte sich bei dem Tier, wie auch später bei den frühen Säugetieren, eine der Großhirnrinde ähnliche Struktur am Vorderhirn.

Warum ausgerechnet bei Kawingasaurus? „Kawingasaurus benötigte für das Überleben im Untergrund speziell angepasste Sinnesorgane“, erklärt der UDE-Forscher. Der Therapside hatte nach vorn gerichtete Augen.

So konnte er vermutlich schärfer im Dämmerlicht sehen, wie es heute beispielsweise Eulen können. Fein verzweigte Trigeminusnervenenden in seiner Schnauze machten ihm das Tasten leicht. Die enorm vergrößerten Innenohren deuten darauf hin, dass Kawingasaurus feinste Erschütterungen im Boden erspüren konnte.

„Um diese speziellen Sinnesreize zu verarbeiten, brauchte er ein leistungsfähiges Gehirn“, so Laaß. Die Anpassung der Sinnesorgane und des Schädels an das Leben im Boden waren also der auslösende Faktor für die Weiterentwicklung des Gehirns.

Forscher gingen bereits von einem ähnlichen Szenario bei der Entstehung der Großhirnrinde der ersten Säugetiere aus. Diese Vermutung wird durch die Ergebnisse der Studie untermauert.

Die neue Entdeckung zeigt außerdem, dass eine säugetierähnliche Großhirnrinde bei Kawingasaurus bereits etwa 25 Millionen Jahre vor Erscheinen der ersten Säugetiere entstand. Da Kawingasaurus aber kein direkter Vorfahre der Säugetiere ist, muss die Großhirnrinde im Laufe der Säugetierevolution mehrmals unabhängig entstanden sein.


Weitere Meldungen

Elektronenmikroskopische Darstellung einer erregenden Synapse und Schema des Proteinnetzwerks zur Verankerung der AMPA-Rezeptoren in der Zellmembran.; Bildquelle: Bernd Fakler/Universität Freiburg

Noelin-Proteine zentral für Lernfähigkeit von Säugetiergehirnen

Deutsch-amerikanisches Forschungsteam um Freiburger Physiologen zeigt die fundamentale Bedeutung der Noelin-Proteine für die Plastizität von Nervenzellen auf
Weiterlesen

Bienen; Bildquelle: Christian Verhoeven (www.verhoevenfoto.de)

Fluoreszierendes Protein bringt Licht ins Bienengehirn

Ein internationales Team von Bienenforschenden unter Beteiligung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) hat einen Calcium-Sensor in eine Biene integriert
Weiterlesen

Dr. Michael Heide; Bildquelle: Sascha Bubner/Deutsches Primatenzentrum GmbH

Das Gen, dem wir unser großes Gehirn verdanken

Hirnorganoide liefern Einblicke in die Evolution des menschlichen Gehirns
Weiterlesen

Ruhr-Universität Bochum

Schlaue Vögel denken smart und sparsam

Die Gehirnzellen von Vögeln benötigen nur etwa ein Drittel der Energie, die Säugetiere aufwenden müssen, um ihr Gehirn zu versorgen
Weiterlesen

Deutsche Wildtier Stiftung

Arbeitsgedächtnis von Vogel- und Affengehirn

Das Arbeitsgedächtnis ist die Fähigkeit des Gehirns, Informationen für kurze Zeit in einem abrufbaren Zustand zu halten und zu verarbeiten
Weiterlesen

Ruhr-Universität Bochum

Vogelhirne weisen eine überraschende Organisation auf

Manche Vögel können erstaunliche kognitive Leistungen vollbringen – dabei erscheint ihr Gehirn im Vergleich mit dem von Säugetieren ziemlich unorganisiert
Weiterlesen

Menschenaffen wie diese Bonobos haben wie die Menschen grosse Hirne und können daher sehr geschickte Fingerfertigkeiten erlernen.; Bildquelle: Sandra Heldstab/Zoologisch-Botanischer Garten Wilhelma, Stuttgart

Affenarten mit grossen Gehirnen beherrschen schwierigere Handgriffe als solche mit kleinen Hirnen

Doch das Erlernen feinmotorischer Fähigkeiten wie der Werkzeuggebrauch kann dauern: am meisten Zeit beansprucht es bei Menschen
Weiterlesen

Alexander Hecker M.Sc. und Prof. Dr. Stefan Schuster, Lehrstuhl für Tierphysiologie an der Universität Bayreuth.; Bildquelle: Christian Wißler

Bayreuther Biologen ergründen die Rolle der Mauthnerzellen in tierischen Gehirnen

Die Gehirne der meisten Fisch- und Amphibienarten enthalten ein Paar auffällig großer Nervenzellen. Es sind die größten Zellen, die in tierischen Gehirnen vorkommen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen