Prägende Kindheit bei Tüpfelhyänen

(16.08.2022) Soziale Faktoren und Umweltbedingungen beeinflussen die evolutionäre Fitness

Wissenschaftliche Analysen deuten darauf hin, dass bei Menschen eine Reihe von Lebensumständen in der Kindheit langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebenserwartung haben.

Ein Forschungsteam vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) zeigte nun für Tüpfelhyänen, dass mütterliche, soziale und ökologische Faktoren im Welpenalter einen großen Einfluss auf das gesamte Leben weiblicher Hyänen hat:


Tüpfelhyänen

So wirkte sich beispielsweise der soziale Status der Mutter während des Welpenalters positiv auf die Reproduktion der Töchter-Generation aus. Andererseits verkürzten erhöhter Niederschlag im Welpenalter und ein erhöhtes Alter der Mutter die Überlebenschancen und die Lebensdauer der Töchter.

 In dem Aufsatz, der in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Journal of Animal Ecology“ erschienen ist, argumentieren die Autor:innen zudem, dass die Kombination spezifischer widriger (oder vorteilhafter) Umstände in frühen Lebensphasen einen größeren Einfluss auf die Lebenschancen haben als die simple Akkumulation widriger (oder vorteilhafter) Faktoren.

In einer Langzeitstudie analysierten die Wissenschaftler:innen vom Leibniz-IZW die von ihnen zwischen 1987 und 2020 erhobenen Daten über die Lebensläufe von 666 weiblichen Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) im Serengeti-Nationalpark in Tansania. Sie untersuchten, wie sich mütterliche, soziale, demographische und ökologische Faktoren auf die evolutionäre Fitness der Töchter auswirken.

Dabei ermittelten sie nicht nur den Einfluss einzelner Faktoren, sondern untersuchten auch, wie sich die Kombination spezifischer Umstände auf die Lebensläufe auswirkten und ob die Ansammlung mehrerer widriger Umstände in der Kindheit einen kumulativen Effekt auf die Lebenschancen hatte.

Für die Bemessung der evolutionären Fitness – wie viele der eigenen Nachkommen ein fortpflanzungsfähiges Alter erreichen und somit die eigenen Gene an die nächste Generation weitergeben können – analysierten die Wissenschafter:innen das Wachstum während der ersten sechs Monate, das Überleben bis zum Erwachsenenalter, das Alter bei der ersten Fortpflanzung, die Lebensdauer und den Lebenszeit-Reproduktionserfolg.

„Durch sorgfältige Analysen der Langzeitdaten konnten wir zum Beispiel zeigen, dass weibliche Nachkommen älterer Mütter eine deutlich kürzere Lebensdauer haben und weniger Jungtiere durchbringen als die Töchter von Müttern im besten Alter“, sagt Morgane Gicquel vom Leibniz-IZW, die Erstautorin des Aufsatzes, der ein Teil ihrer Doktorarbeit ist.

Wenn Mütter einen hohen sozialen Status während des Welpenalters der Töchter hatten, half das den Töchtern, weil sie sich schneller entwickelten und deshalb ihren ersten eigenen Wurf in einem jüngeren Alter gebären konnten. „Einzelkinder“ und dominante Jungtiere in Zwillingswürfen hatten eine höhere Wachstumsrate als subdominante Geschwister.

Nachkommen ohne Geschwister wiesen zudem eine höhere Überlebenschance bis zum Erwachsenenalter auf als subdominante Jungtiere. „Wir waren überrascht, dass sich der soziale Status der Mutter, die Wurfgröße und die Dominanzposition im Wurf nur in den ersten Jahren auf das Überleben und das Alter beim ersten Wurf auswirkten, nicht aber auf Lebensdauer oder Lebenszeit-Fortpflanzungserfolg“, fügt Gicquel hinzu. „Sowohl kurz- wie langfristige Auswirkungen konnten wir hingegen für die Anzahl säugender Weibchen feststellen“, ergänzt Dr. Sarah Benhaiem vom Leibniz-IZW, Seniorautorin des Aufsatzes.

„Mit zunehmender Zahl säugender weiblicher Clanmitglieder sanken Wachstumsrate, Überlebensrate bis zum Erwachsenenalter und lebenslanger Reproduktionserfolg in der Töchtergeneration. Dies könnte mit häufigeren Konflikten und stärkerer Konkurrenz bei weiblichen Tüpfelhyänen im fortpflanzungsfähigen Alter zusammenhängen.“

Doch nicht nur mütterliche, soziale und demographische Faktoren, sondern auch ökologische Einflüsse und Ereignisse spielen eine Rolle.

„Starke Regenfälle in den ersten sechs Lebensmonaten verringerten beispielsweise die Chancen der jungen Tüpfelhyänen, das Erwachsenenalter zu erreichen, womöglich aufgrund von erhöhtem Parasitenbefall, verstärkter Weitergabe von Krankheitserregern oder überschwemmten Zentralbauen, in denen Jungtiere ertrinken“, erklärt Dr. Marion East vom Leibniz-IZW, Mitbegründerin des Serengeti-Hyänenprojekts und Ko-Autorin des Papers. Ko-Autor, Mitbegründer und Leibniz-IZW-Direktor Prof. Heribert Hofer ergänzt:

„Der Klimawandel sorgt dafür, dass es lokal in der Serengeti mehr regnet – im starken Kontrast zu vielen anderen Regionen in Afrika. Unsere neuen Ergebnisse lassen vermuten, dass dies langfristige negative Auswirkungen auf die Population haben.“

Kumulieren sich Widrigkeiten während der Jugendzeit, wirkt sich dies negativ auf die kurzfristige Leistung und den lebenslangen Reproduktionserfolg aus, so das Fazit der Analyse.

 Die Untersuchungen der Wissenschaftler:innen zeigt jedoch, dass die sorgfältige Betrachtung spezifischer Kombinationen widriger Lebensumstände, denen Hyänen in der Serengeti während ihres frühen Lebens ausgesetzt waren, die Lebensläufe und den Erfolg in Gestalt von Fortpflanzung und Überleben viel besser erklärten als die einfache Summe ungünstiger Bedingungen.

Dass deutet darauf hin, dass es nicht ausreicht, Widrigkeiten einfach zu summieren, zumindest für Wildtierarten – wichtiger ist die sorgfältige Analyse spezifischer Kombinationen von Faktoren.

Publikation

Gicquel M, East ML, Hofer H, Benhaiem S (2022): Early-life adversity predicts performance and fitness in a wild social carnivore. Journal of Animal Ecology. https://doi.org/10.1111/1365-2656.13785



Weitere Meldungen

Tüpfelhyäne und Massai-Hirte im Ngorongoro-Krater in Tansania; Bildquelle: Oliver Höner

Das Weiden von Vieh tagsüber hat keine negativen Auswirkungen auf Tüpfelhyänen in Tansania

Wenn Hirten ihre Rinder tagsüber auf ausgetretenen Pfaden durch die Territorien von Tüpfelhyänenclans treiben, verringert dies weder die Fortpflanzungsleistung noch erhöht es die physiologische Belastung („Stress“) der Hyänen
Weiterlesen

Tüpfelhyänen ; Bildquelle: Oliver Höner/Leibniz-IZW

Hilfsbereitschaft bei gruppenlebenden Tieren hängt von den Familienbanden ab – und diese ändern sich mit dem Alter

Die Bereitschaft, Artgenossen zu helfen, unterscheidet sich von Tierart zu Tierart – und auch zwischen Männchen und Weibchen
Weiterlesen

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)

Verletzungen durch Drahtschlingen beeinträchtigen die Fortpflanzung von Hyänenweibchen in der Serengeti

Wilderei mittels Drahtschlingen hat als Beifang auch Auswirkungen auf Tierarten, die nicht das Ziel waren – von leichten Verletzungen bis zum Tod
Weiterlesen

Hyänen am Gemeinschaftsbau eines Clans in Tansania; Bildquelle: Sarah Benhaiem/Leibniz-IZW

Tüpfelhyänen passen ihre Futtersuche an den Klimawandel an

Tüpfelhyänen passen ihre Futtersuche an, wenn in ihrem Revier aufgrund von Klimaveränderungen weniger Beutetiere vorkommen
Weiterlesen

Tüpfelhyänenweibchen mit Zwillingsgeschwistern. Konkurrenzkampf um Muttermilch im Serengeti National Park (Tanzania).; Bildquelle: IZW/Hofer

Sozialstatus der Mutter und Geschwisterrivalität beeinflussen das Säugen bei Tüpfelhyänen

Weibchen von niedrigem sozialen Rang haben oft begrenzten Zugang zu Nahrungsquellen. Folglich können sie ihre Nachkommen nur in unregelmäßigen Abständen säugen, sodass diese oft lange Fastenperioden durchstehen müssen
Weiterlesen

Tüpfelhyäne (Crocuta crocuta); Bildquelle: East ML & Dehnhard M

Neue Methode zur Testosteronbestimmung bei Tüpfelhyänen

Einem Forscherteam vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und der Universität Pretoria ist es erstmalig gelungen, Testosteron über seine Abbauprodukte im Kot von Tüpfelhyänen zu messen
Weiterlesen

Tüpfelhyänen; Bildquelle: IZW

Bei säugenden Tüpfelhyänen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Befalls mit Parasiten

Wissenschaftler fanden heraus, dass das Säugen bei Tüpfelhyänenweibchen einen negativen Einfluss auf ihre Immunprozesse hat. Säugende Weibchen waren empfänglicher für Hakenwürmer und sie hatten generell einen höheren Hakenwurmbefall als nicht säugende Weibchen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen