Diphtherie-ähnliche Krankheitserreger erstmals bei Igeln nachgewiesen

(05.03.2019) Eine neue Studie, die unter Federführung des Nationalen Konsiliarlabors für Diphtherie (KL-Diphtherie) in Zusammenarbeit von fünf Landeslaboren und dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) entstand, konnte nun Corynebacterium ulcerans - einen engen Verwandten des Diphtherie-Erregers - auch bei Igeln nachweisen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Emerging Microbes & Infections“ erschienen.

Igel sind als Kulturfolger häufig in der Nähe von Menschen anzutreffen. Diese Nähe ist für beide Seiten nicht nur nützlich, sondern birgt auch Gefahren. Straßenverkehr, Rasenmäher und Krankheitserreger bedrohen die stacheligen Insektenfresser.

Einige dieser Krankheitserreger sind auch auf den Menschen übertragbar. Ein sorgsamer Umgang mit Wildtieren und das Einhalten von Hygienemaßnahmen minimiert jedoch die Ansteckungsgefahr.


Igel

Diphtherie ist eine bakterielle Infektionskrankheit der oberen Atemwege des Menschen. Sie wird durch das Corynebacterium diphtheriae ausgelöst, das Träger eines entsprechenden Toxin-Gens sein kann.

In Ländern mit gutem Impfschutz – so wie in Deutschland - sind Diphtherie-Fälle sehr selten, jedoch werden in den letzten Jahren Haut- oder Wundinfektionen mit C. diphtheriae häufiger bei Fernreisenden festgestellt.

In Deutschland nehmen Infektionen mit dem erstmals auch bei Igeln nachgewiesenen Corynebacterium ulcerans zu, ein enger Verwandter des klassischen Diphtherie-Erregers und häufiger Träger des Toxin-Gens.

Aktuelle Informationen des Konsiliarlabors für Diphtherie zeigen, dass C. ulcerans bei verschiedenen Tierarten vorkommt und hierbei sowohl Erkrankungen wie Lymphknotenabszesse, Wund- oder Atemwegsinfektionen als auch asymptomatische Kolonisationen hervorrufen kann.

„Sind Haustiere wie Hunde und Katzen betroffen, gibt es eindeutige Belege für einen Austausch dieser Bakterien zwischen Tieren und ihren Besitzern“, sagen die Initiatoren der Studie Anja Berger und Andreas Sing vom KL-Diphtherie.

Die Fallzahlen sind gering, dennoch sei bei C. ulcerans insbesondere durch die Tier-Mensch-Übertragung Vorsicht geboten. Bei einigen heimischen Wildtieren, wie Füchsen, Wildschweinen und Rehen, wurde das Bakterium schon mehrfach nachgewiesen, in der aktuellen Studie nun auch bei erkrankten Igeln.

„Die Ergebnisse sollen ein größeres Bewusstsein und die Verantwortung für unsere Nachbarschaft wecken“, erklärt Kristin Mühldorfer, Wissenschaftlerin in der Abteilung Wildtierkrankheiten des Leibniz-IZW. Wildtiere können auf Menschen übertragbare Krankheitserreger und Parasiten beherbergen oder selbst durch Infektionserreger von Mensch und Haustieren gefährdet sein.

Ein sorgsamer Umgang bei der Pflege und allgemeine Hygienemaßnahmen sind nach Tierkontakten ratsam, wie das gründliche Waschen der Hände mit warmem Wasser und Seife oder einer Händedesinfektion.

„In erster Linie sollten sich aber Personen des Infektionsrisikos bewusst sein, die direkt mit den Wildtieren arbeiten – also Tierärzte, Mitarbeiter von Igelstationen oder Tierheimen“, so die Autoren der Studie. Zum Schutz vor der Diphtherie ist ein ausreichender und regelmäßig aufgefrischter Impfschutz wichtig.

Der respektvolle Umgang und Abstand zu Wildtieren ermöglichen ein sicheres Zusammenleben auch bei engen Mensch-Tier-Kontakten. Geschwächte, kranke oder verletzte Wildtiere sollten grundsätzlich nur von erfahrenen Personen angefasst und gepflegt werden, die ausreichende Kenntnisse und erforderliche Genehmigungen besitzen.

Bei Verdacht einer bakteriellen Infektion besteht auf Nachfrage die Möglichkeit, Wildtierproben in den beteiligten Landeslaboren oder dem Leibniz-IZW untersuchen zu lassen. Bestätigte Corynebacterium Isolate können nach Absprache am KL-Diphtherie in Oberschleißheim charakterisiert werden.



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