Die Bechsteinfledermaus hat bis ins hohe Alter eine geringe Sterblichkeit

(04.08.2017) Dies fanden Biologen der Universität Greifswald gemeinsam mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Demographische Forschung (MDIPR) aus Rostock heraus. Die Studie erscheint heute in der Fachzeitschrift Scientific Reports.

Für fast alle Lebewesen gilt: Nicht in jedem Alter ist die Mortalität, also die Wahrscheinlichkeit zu sterben, gleich hoch. Für viele Säugetiere ist sie kurz nach der Geburt hoch, fällt dann ab und steigt am Ende der Lebensspanne wieder. Doch bei den Bechsteinfledermäusen (Myotis bechsteinii) ist dies anders.


Bechsteinfledermäuse

Die MPIDR-Forscher Alexander Scheuerlein und Jutta Gampe haben gemeinsam mit den Biologen Toni Fleischer und Gerald Kerth von der Universität Greifswald herausgefunden, dass die Mortalität der Bechsteinfledermäuse nach dem ersten Lebensjahr über die ganze Lebensspanne hinweg gleichbleibend hoch ist.

Oder anders gesagt: Sie altern nicht. Ihre Ergebnisse publizierten die Forscher in einem Artikel, der heute in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen ist.

„Jedes Tier hat, aus evolutionärer Sicht, das Bestreben möglichst viele Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Um das zu erreichen gibt es verschiedene evolutionäre Anpassungsstrategien. Bei den kleinen Säugetieren ist es häufig so, dass sie nicht sehr lange leben und in dieser kurzen Lebensspanne viele Junge bekommen”, erklärt Alexander Scheuerlein.

Diese Arten nehmen also in Kauf, dass nicht alle Nachkommen überleben – sie setzen eher auf Masse, als auf das einzelne Tier. Größere und langlebigere Arten, wie zum Beispiel der Elefant, leben deutlich länger und bekommen wenige Junge, für die sie dann aber ihre ganzen Ressourcen einsetzen.

Nicht so die Bechsteinfledermäuse, sie haben sich eine andere evolutionäre Strategie angeeignet. Sie sind klein (rund 10 Gramm schwer), aber trotzdem langlebig – das älteste je erfasste Tier brachte es auf stolze 21 Jahre, eine verwandte Art, die Brandt-Fledermaus wurde sogar mindestens 42 Jahre alt.

Bechsteinfledermäuse bekommen maximal ein Junges pro Jahr und ihre Sterblichkeit nimmt bis ins hohe Alter kaum zu. „Für kleine Säugetiere ist das sehr untypisch, dieses Muster ähnelt eher dem vom Meeresvögeln, oder Großsäugern”, sagt Alexander Scheuerlein.

„Von den rund 1.000 Fledermaus-Arten, die es weltweit gibt, sind schätzungsweise ein Viertel langlebig.

Bei denen vermuten wir, dass sie ähnliche Muster in der Alterung aufzeigen. Eng miteinander verwandt sind diese langlebigen Arten aber nicht. Vermutlich hat sich die Langlebigkeit der Fledermäuse mehrere Male unabhängig im Lauf der Stammesgeschichte der Fledermäuse entwickelt”, sagt Alexander Scheuerlein.

Wie die Fledermäuse es schaffen, so außerordentlich alt zu werden, dafür haben die Forscher mehrere mögliche Erklärungen. Eine ist, dass die langlebigen Arten vor allem in den temperierten Zonen vorkommen und einen Winterschlaf machen, bei dem sie ihre Körpertemperatur massiv herabsetzen, nämlich auf etwa zwei bis zehn Grad Celsius.

Der Stoffwechsel ist bei diesen Temperaturen extrem heruntergefahren, was zu einer Verringerung der molekularen Schäden und demnach zu einer Verlangsamung der Alterung führen könnte. Allerdings werden auch tropische Fledermausarten ungewöhnlich alt, so dass noch andere Mechanismen die hohe Lebenserwartung von Fledermäusen bewirken müssen.

Die Erkenntnisse der Forscher sind nicht nur für die Altersforschung wichtig, sondern auch, um die Tiere besser schützen zu können. „Wir konnten erstmals zeigen, dass Alter, Größe und Jahreszeit kaum einen Einfluss auf die Mortalität der Fledermäuse hat”, erklärt Gerald Kerth.

Nur ungewöhnliche Naturereignisse seien ein Faktor, der die Sterblichkeit beeinflusse: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Tiere hoch sensibel auf unvorhersehbare äußere Veränderungen reagieren“, sagt Toni Fleischer.

Die Bechsteinfledermaus lebt im Sommer in Kolonien in Baumhöhlen. Im Winter halten sie einen Winterschlaf in Felshöhlen. Im Sommer suchen die Tiere sich fast täglich andere Tagesquartiere aus.

Deswegen sind sie auf wenig oder unbewirtschaftete Wälder mit viel Totholz angewiesen, denn alte und absterbende Bäume bieten besonders viele Hohlräume. Die Kolonien sind mit zehn bis fünfzig Tieren relativ klein im Vergleich zu den Kolonien anderer Fledermaus-Arten.

„Vermutlich sind sie auch deswegen so anfällig für außergewöhnliche Naturereignisse”, vermuten die Autoren der Studie. „Wenn es nur ein paar Tiere in einer kleinen Kolonie erwischt, kann es leicht geschehen, dass die Kolonie nicht mehr groß genug ist um erfolgreich Nachkommen zu produzieren.”

Für ihre Studie beobachteten die Forscher 248 Fledermäuse über den Zeitraum von 19 Jahren. 180 der Tiere starben in dem Zeitraum, das ältestes wurde 15 Jahre alt.

Im Winter 2010/2011 starben außergewöhnlich viele Tiere, ein Phänomen, das in diesem Jahr auch in anderen Fledermauspopulationen beobachtet wurde. Welche Naturereignisse für dieses Sterben verantwortlich sein könnten, ist noch unklar.

Publikation

Artikel im Scientific Reports (04.08.2017): www.nature.com/articles/s41598-017-06392-9


Weitere Meldungen

Brillenblattnasen-Fledermaus; Bildquelle: Julio Hechavarria/Goethe-Universität Frankfurt

Neurobiologie: Wie Fledermäuse verschiedene Laute unterscheiden

Fledermäuse leben in einer Hörwelt. Sie nutzen ihre Stimme sowohl zur Kommunikation mit ihren Artgenossen, als auch zur Orientierung in der Umwelt
Weiterlesen

Großes Mausohr - Myotis myotis; Bildquelle: Karin Schneeberger/Leibniz-IZW

Konflikt auf Hochtouren: Waldfledermäuse meiden schnell drehende Windenergieanlagen weiträumig

An Windenergieanlagen kommen nicht nur viele Fledermäuse zu Tode, die Anlagen verdrängen auch einige Arten weiträumig aus ihren Lebensräumen
Weiterlesen

Bat Island - A Rare Journey into the Hidden World of Tropical Bats

Bat Island: Ein Buch & seine Geschichte

Ein opulenter Fotoband über die geheimnisvolle Welt tropischer Fledermäuse

Weiterlesen

Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) ; Bildquelle: Christian Giese

Wandernde Mückenfledermäuse können Erdmagnetfeld wahrnehmen

Mückenfledermäuse verfügen über einen magnetischen Kompass und kalibrieren diesen bei Sonnenuntergang – darauf deuten die Ergebnisse einer neuen Studie hin, die in der Fachzeitschrift Biology Letters erschienen ist
Weiterlesen

Großer Abendsegler; Bildquelle: Carolin Scholz/Leibniz-IZW

Geringer Erfolg bei der Futtersuche vertreibt Fledermäuse aus Städten

Während manche Wildtiere relativ gut in städtischen Lebensräumen zurechtkommen, stellt die Futtersuche größere, insektenfressende Fledermausarten vor Herausforderungen
Weiterlesen

Rauhautfledermaus - Pipistrellus nathusii; Bildquelle: Christian Giese

Muster saisonaler Zugbewegungen der Fledermäuse komplexer als bisher angenommen

Einige Fledermausarten ziehen im Spätsommer aus dem Norden Europas entlang der Küstenlinien in ihre Überwinterungsgebiete in Zentral- und Westeuropa
Weiterlesen

Illustration des Penis der Breitflügelfledermaus; Bildquelle: Taisiia Kravchenko

Die Geheimnisse der Fledermaus: neuer Paarungsmechanismus bei Säugetieren entdeckt

Das Fortpflanzungsverhalten in der Tierwelt ist äußerst vielfältig. Bei Säugetieren galt bisher, dass beim Paarungsverhalten immer ein Eindringen des Penis in den weiblichen Genitaltrakt stattfindet
Weiterlesen

Bechsteinfledermaus ; Bildquelle: Gilles San Martin, Wikimedia Commons, Lizenz CC BY-SA 2.0 DEED

Von Fledermäusen lernen: ERC Synergy Grant für das BATPROTECT-Projekt

Krankheiten durch Infektionen oder aufgrund von zunehmendem Alter: Für die Suche nach Lösungen sind interdisziplinäre und innovative Forschungsansätze nötig
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen