1,5 Millionen Vögel sterben pro Jahr in Deutschland an Stromleitungen

(13.03.2017) Mindestens 1,5 Millionen Vögel kollidieren pro Jahr an Hochspannungsleitungen. Das ermittelte das vom NABU beauftragtes Gutachten „Vogel-Kollisionsopfer an Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen in Deutschland – eine Abschätzung“

Die Gutachter berechneten das Risiko von Vögeln gegen freistehende Hochspannungsleitung zu fliegen auf Grundlage vorliegender Daten aus Europa und auf Basis von 61.000 Kilometer Freileitungen.

Gutachten "Vogel-Kollisionsopfer an Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen in Deutschland – eine Abschätzung"
Gutachten "Vogel-Kollisionsopfer an Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen in Deutschland � eine Abschätzung"
Insgesamt sei davon auszugehen, „dass es in Deutschland jährlich zu Kollisionsopfern an Vögeln in der Größenordnung zwischen 1,5 bis 2,8 Millionen Individuen kommt“, so das Ergebnis.

Der NABU fordert eine nachträgliche Sicherung der Leitungen sowie eine sorgfältige Planung künftiger Trassen.

„Die Verluste könnten um bis zu 90 Prozent vermieden werden: Mit den richtigen Vogelschutzmarkierungen an den besonders schlecht zu sehenden Erdseilen über den Leitungen könnten vor allem die bereits bestehenden Trassen nachgerüstet werden“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

„Da es dazu allerdings, trotz internationaler Abkommen, keine gesetzliche Verpflichtung gibt, haben die Netzbetreiber bisher nur wenige Freileitungen vogelsicher gemacht.“

Verbesserte rechtliche Vorgaben wären für die vollständige Nachrüstung nötig. Dabei hätten Vogelschutz- und Rastgebiete mit kollisionsgefährdeten Arten oberste Priorität. Der NABU schätzt, dass dies zehn bis 15 Prozent der bestehenden Leitungen betreffen würde.

„Aus Vogelschutzgründen wären Erdkabel die beste Variante. Der Gesetzgeber sollte sie bei keinem Netzausbauvorhaben pauschal ausschließen“, so Miller.

Zur Nachrüstung fordert der NABU, schwarz-weiße Plastikstäbe an die Freileitungen zu hängen. „Vor allem Großvögel wie Trappen, Kraniche und Störche sowie Schwäne und fast alle anderen Wasservögel sind von tödlichen Kollisionen an Freileitungen betroffen.

Sie haben eher einen guten Rundumblick, können aber schlecht nach vorn fokussieren. Für ein unerwartetes Hindernis sind sie nicht manövrierfähig genug“, sagt NABU-Vogelschutzexperte Eric Neuling.

Auch die schnell fliegenden Watvögel seien gefährdet. Bewegliche und kontrastreiche Markierungen sorgen dafür, dass die Tiere das Hindernis frühzeitiger ausmachen.

Das Kollisions-Risiko erhöht sich auch für nachtaktive oder nachts ziehende Vögel. Einen großen Einfluss kann auch das Wetter haben.

„Bei dichtem Nebel kam es im Dezember 2015 zum Beispiel zu einer Massenkollision von etwa 100 Kranichen im Westen Brandenburgs obwohl die Leitung markiert war“, so Neuling. Die wirkungslosen Markierungen wurden schnell durch bessere Modelle ausgetauscht.

„Im Hoch- und Höchstspannungsnetz sind Kollisionen für Vögel die fast ausschließliche Todesursache an oberirdischen Stromleitungen, während im Mittelspannungsbereich der Stromschlag auf ungesicherten Strommasten die größte Gefahr darstellt“, so Neuling.

Im Zuge des für die Energiewende erforderlichen Übertragungsnetzausbaus muss der Vogelschutz bei jeder einzelnen Vorhabenplanung eine viel höhere Aufmerksamkeit erfahren.

Beim Neubau von Trassen können Vögel vor allem geschützt werden, wenn zumindest Gewässer und Rastgebiete, in denen kollisionsgefährdete Arten vorkommen, großräumig gemieden werden. Vogelschutzgebiete sollten sowieso tabu sein.

Mit dem Gutachten wurde das Büro TNL Umweltplanung in Hungen/Hessen beauftragt. Die Kollisionszahl wurde aus der Verschneidung mehrerer Quellen ermittelt: Studien zu Leitungsanflügen vor allem aus dem europäischen Raum, das artspezifische Kollisionsrisiko, umfangreiche aktuelle Rast- und Brutvogeldaten sowie Verteilung und Umfang des deutschen Übertragungsnetzes.

Download: Gutachten „Vogel-Kollisionsopfer an Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen in Deutschland – eine Abschätzung“



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