NABU lehnt Forderung nach europäischem Kormoran-Managementplan ab

(31.08.2010) Der NABU hat Forderungen von Fischerei- und Anglerverbänden nach einer drastischen Reduzierung der Kormoranbestände eine deutliche Absage erteilt. Der Deutsche Fischerei-Verband (DFV) hatte auf dem Fischereitag in München gefordert, dass die Hälfte aller Kormorane in Deutschland "von der Bildfläche verschwinden" solle.

NABU-Präsident Olaf Tschimpke: "Das Comeback des Kormorans an Küsten, Seen und Flüssen ist trotz regionaler Probleme an Teichwirtschaften kein Anlass, die Vögel in großem Stil zu verfolgen und abzuschießen." Wer dies fordere, zeige ein rückwärtsgewandtes Verständnis von Natur und ökologischen Zusammenhängen. Befürchtungen, der Kormoran würde sich "übervermehren", seien unbegründet und durch die gut dokumentierte Bestandsentwicklung der letzten Jahre widerlegt.

Dieser Auffassung habe sich die Bundesregierung bereits im März in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke angeschlossen und erklärt, man könne davon ausgehen, dass sich die Zahl der Kormoran-Brutpaare in den nächsten Jahren nicht weiter erhöhe, da die Vogelart in Deutschland die Kapazitätsgrenzen ihres Lebensraumes inzwischen erreicht habe.

Das legitime Interesse von Fischern und Teichwirten zur wirtschaftlichen Nutzung von Fischbeständen stehe außer Frage. Doch ein Managementplan, der die Zahl der Vögel halbieren soll, sei der falsche Weg. Der NABU appelliert an Bundesagrarministerin Ilse Aigner, stattdessen den von der EU-Kommission eingeschlagenen Weg zu unterstützen.

Danach sollen nur lokal angepasste Lösungen zum Einsatz kommen, um mögliche Schäden vor Ort abzuwehren. "Umfangreiche Abschüsse von Kormoranen, wie sie schon heute durch die Verordnungen vieler Bundesländer möglich gemacht wurden, helfen dagegen weder Fischen noch Fischern", so Tschimpke.

Um die Existenz von Teichwirten zu sichern, fordert der NABU deshalb Bund und Länder zur Unterstützung wirksamer, präventiver Abwehrmaßnahmen auf. So sollten extensive Teichwirtschaften eine landwirtschaftliche Grundförderung in Anerkennung ihrer Leistungen für das Gemeinwohl und den Naturschutz erhalten.

Der NABU verweist in diesem Zusammenhang auf Untersuchungen und Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern. Selbst der Abschuss von mehr als 10.000 Jungvögeln im Jahre 2005 führte dort drei Jahre später - wenn die überlebenden Vögel erstmals gebrütet hätten - zu keiner Bestandsabnahme.

Die Ursachen liegen in der Biologie der Vögel: "Kormorane können Eingriffe in ihre Population in hohem Maße ausgleichen. Ein Kormoranpaar zieht jährlich zwei bis drei Jungvögel groß, doch rechnerisch sind schon 0,45 bis 0,50 flügge gewordene Jungvögel pro Jahr ausreichend, um die Population zu erhalten", so NABU-Vogelschutzexperte Markus Nipkow.

Erst wenn die Nachkommenzahl unter diesen Wert fällt, ist ein längerfristiger Bestandsrückgang zu erwarten. Eingriffe, die bestandswirksam sein sollen, müssten deshalb einem Vernichtungsfeldzug gleichen, wie er gegen diese Vogelart schon einmal - vor mehr als 100 Jahren - geführt worden ist.

Dieselben Erfahrungen seien im Übrigen an Möwen gemacht worden, als diese jahrzehntelang ohne nachhaltigen Effekt auf deren Populationsgröße vehement bekämpft wurden. Diese Arten gleichen ebenso wie die Kormorane Verluste durch Abschüsse schnell wieder aus, weil die Vögel sofort mehr Nachwuchs als sonst üblich produzieren.

 


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