Forscher finden 48 Millionen Jahre alte Fette in Vogelfossil

(19.10.2017) Normalerweise widerstehen Weichteile dem Zahn der Zeit nicht und bei den meisten Fossilfunden von Wirbeltieren handelt es sich nur um die Knochen. Umso überraschender ist daher ein neuer Fund aus dem UNESCO Weltkulturerbe Grube Messel bei Darmstadt.

Eine 48 Millionen Jahre alte Hautdrüse eines Vogels enthält Fette, die ebenso alt sind. Die ältesten jemals bei einem fossilen Wirbeltier nachgewiesenen Fette wurden von dem Vogel genutzt, um sein Gefieder zu pflegen. Die Studie ist soeben im Fachmagazin „Royal Society Proceedings B“ erschienen.


48 Millionen altes Vogelskelett aus der Grube Messel mit Bürzeldrüse (markiert)

Vögel verbringen viel Zeit damit, ihr Gefieder zu putzen. Verständlich, denn das Federkleid verleiht dem Vogel sein besonderes Aussehen, isoliert und befähigt zum Flug. Eine wichtige Rolle bei diesem Pflegeritual spielt die Bürzeldrüse am unteren Ende des Vogelrückens. Sie produziert ein öliges Sekret, mit dem die Vögel ihr Gefieder einfetten, um es geschmeidiger und wasserabweisend zu machen.

Dr. Gerald Mayr, Leiter der Sektion Ornithologie am Senckenberg Forschungsinstitut, hat jetzt gemeinsam mit internationalen Kollegen das bisher älteste Vorkommen solcher Pflegeöle für Vögel entdeckt. Mit 48 Millionen Jahren auf dem Buckel ist dieses Uralt-Pflegeöl wissenschaftlich eine kleine Sensation.

„Der Fund ist eines der erstaunlichsten Beispiele für die Konservierung von Weichteilen bei Tieren. Dass sie sich über so lange Zeiträume erhalten haben, ist sehr selten“, so Mayr.

Das organische Material, aus dem Weichteile bestehen, zersetzt sich gewöhnlich innerhalb von Jahrzehnten oder sogar Jahren. Jahrmillionen alte Federn und Fellreste sind bisher nur von wenigen Fundorten bekannt, darunter die sauerstoffarme Ölschiefer-Fossilienlagerstätte Messel.

Von hier stammt auch die im Rahmen der Studie untersuchte Bürzeldrüse samt der in ihr enthaltenen Fette.

„Die Fette haben, das zeigt unsere detaillierte chemische Analyse, zumindest in Bruchstücken ihre ursprüngliche Zusammensetzung über 48 Millionen Jahre beibehalten.

Die langkettigen Kohlenwasserstoffverbindungen aus den fossilen Resten der Bürzeldrüse sind klar unterscheidbar vom Ölschiefer rund um das Fossil“, erklärt Mayr.

Die Analyse belegt, dass es sich bei dem Fossilteil um eine der ältesten erhaltenen Bürzeldrüsen handelt. Vermutet hatte das Mayr schon anhand der Anordnung am fossilen Vogelskelett – bewiesen werden konnte es aber erst jetzt.

Warum gerade die Fette aus der Bürzeldrüse so lange überdauerten, ist noch unklar. Womöglich verhärteten sie sich unter Sauerstoffabschluss zu einer Art Wachspanzer und waren damit vor Verwesung geschützt.

Die Forscher vermuten außerdem, dass eine Eigenschaft verantwortlich ist, die das Pflegeöl der Vögel auch heute noch hat – seine antibakteriellen Bestandteile. Sie könnten dafür gesorgt haben, dass sich nach dem Tod des Vogels kaum Bakterien ansiedeln konnten und damit die Zersetzung nicht in Gang kam.

Für Mayr und seine Kollegen ist der Fund ein Meilenstein für Paläontologen.

„Die 48 Millionen alten Fette zeigen uns, was unter günstigen Bedingungen alles erhalten sein könnte – eben nicht nur Knochen und Haare oder Federn, wie wir bisher dachten. Wenn wir mehr dieser Fette finden, können wir die Lebensweise der Tiere besser rekonstruieren. Beispielsweise wäre es interessant zu untersuchen, ob gefiederte Dinosaurier als Vorfahren der Vögel auch schon Bürzeldrüsen besaßen und ihre Gefieder pflegten“, resümiert Jakob Vinther, einer der Co-Autoren der Studie von der Universität Bristol.



Weitere Meldungen

Julia Türtscher; Bildquelle: Patrick L. Jambura

Neue Rochenart aus Bayern entdeckt: Aellopobatis bavarica aus dem späten Jura

In einer neuen Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift "Papers in Palaeontology" veröffentlicht wurde, haben internationale Wissenschafter*innen die rätselhafte Welt der vor 150 Millionen Jahren lebenden Rochen erforsch
Weiterlesen

Prof. Dr. Rainer Schoch (links), Dr. Stephan Spiekman, Dr. Eudald Mujal (rechts) in der Meeressaurier Sammlung des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem Fossil von Trachelosaurus fischeri; Bildquelle: SMNS, Liliana Reinöhl

Forscher stellen den weltweit ältesten langhalsigen Meeressaurier vor

Ein historisches Fossil liefert neue Erkenntnisse über die frühe Evolution der Meeresreptilien nach dem größten Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren
Weiterlesen

Riesenschildkröte Peltocephalus maturin; Bildquelle: Júlia d‘Oliveira

Neu entdeckte fossile Riesenschildkröte nach Stephen King-Romanfigur benannt

Ein internationales Forschungsteam rund um Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat eine neue Riesenschildkröten-Art aus dem späten Pleistozän beschrieben
Weiterlesen

Dinocephalosaurus Fossil (Institute of Vertebrate Paleontology and Paleoanthropology, Chinese Academy of Sciences, Beijing).; Bildquelle: Nicholas C. Fraser

Neue Fossilien des Meeressauriers Dinocephalosaurus orientalis erforscht

Ein internationales Team von Wissenschaftler*innen aus China, USA und Europa, darunter Dr. Stephan Spiekman, Paläontologe am Naturkundemuseum Stuttgart, hat neue Fossilien des Meeressauriers Dinocephalosaurus orientalis erforscht
Weiterlesen

Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)

Erster Beweis für Elefantenjagd durch den frühen Menschen

Untersuchung von Funden in Neumark-Nord bei Halle erbringen den ersten eindeutigen Beweis für die Jagd von Elefanten in der menschlichen Evolution
Weiterlesen

Mikro-CT-Scans eines Halswirbels; Bildquelle: Senckenberg

Fossile Vogel-Halswirbel mit knotenförmigen Verdickungen

Dr. Gerald Mayr hat gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam ungewöhnliche Skelett-Strukturen verschiedener europäischer Vogel-Fossilien aus dem Eozän untersucht
Weiterlesen

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Menschen vor 400.000 Jahren jagten systematisch Biber

Menschen, die vor rund 400.000 Jahren lebten, machten offenbar systematisch Jagd auf Biber, um sich von ihnen zu ernähren und möglicherweise auch, um ihre Pelze zu erbeuten
Weiterlesen

Schottische Wildkatze; Bildquelle: Marc Evans, CC BY-SA 2.0

Paläogenomik: Wildkatzen und Hauskatzen meiden sich weitgehend

Ein internationales Team um LMU-Paläontologe Laurent Frantz und Greger Larson (Universität Oxford) hat mittels genetischer Analysen die Geschichte der Katzen in Europa untersucht
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen