
Alternativen zu Tierversuchen: Wie belastbar sind heutige Testsysteme aus Stammzellen?
Viele Fortschritte moderner Medizin wären ohne Tierversuche unmöglich gewesen. Um solche Versuche zu ersetzen, wird weltweit an Alternativen geforscht.
Einen Schwerpunkt bilden Testmodelle aus künstlich erzeugten, menschlichen Stammzellen, aus denen theoretisch alle Zelltypen entwickelt werden können. Noch klafft jedoch ein Spalt zwischen den im Labor differenzierten Stammzellen und ihren menschlichen Vorbildern, wie Herz- und Leberzellen.
Den aktuellen Forschungsstand und Empfehlungen zur Methodenverbesserung fassen Forschende des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung und der Universität Köln in „Trends in Molecular Medicine“ zusammen.
Induzierte pluripotente Stammzellen – seit einigen Jahren können diese Vielkönner im Labor aus menschlichem Körpergewebe entwickelt werden, etwa aus Hautzellen. Diese Stammzellen sind theoretisch fähig, sich in jeden beliebigen Zelltyp zu entwickeln.
Das macht sie unter anderem für die Forschung an Alternativen zu Tierversuchen interessant: Anstatt Versuche direkt an Tieren durchzuführen, könnten etwa Sicherheitsprüfungen von Medikamenten und Chemikalien direkt in der Zellkultur erfolgen – so die Vision.
Bislang werden solche Systeme aber nicht in der Toxikologie oder Pharmakologie eingesetzt, da der Differenzierungsweg von der Stammzelle zur Leber-, Nieren- oder Herzzelle die Forschung vor Herausforderungen stellt.
Wo die Grenzen der Technik liegen und wie die Modelle zukünftig verbessert werden können, haben Toxikologinnen und Toxikologen des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) zusammen mit Forschenden der Universität Köln in einer aktuellen Übersichtsarbeit zusammengefasst.
Dazu haben sie die bisherige Forschungsliteratur zum Thema stammzellbasierte Ersatzmethoden anhand verschiedener Zelltypen wie Leberzellen ausgewertet.
Ungewollte und unvollständige Differenzierung als Herausforderung
Die Ergebnisse bisheriger Bemühungen zeigen, dass noch große Unterschiede zwischen den im Labor gezüchteten leberzellähnlichen Zellen und den menschlichen Leberzellen bestehen: So konnten vergleichende Genanalysen beispielsweise zeigen, dass die aus den Stammzellen entwickelten Zellen nicht nur Eigenschaften der Leber, sondern auch ungewollt darmspezifische Gene aufwiesen, die in menschlichen Leberzellen nicht vorkommen.
Zudem waren Gene, die in Stammzellen aktiv sind, in den leberzellähnlichen Zellen stärker ausgeprägt als in menschlichen Leberzellen.
Diese Hürden bei der Differenzierung lassen sich mit einem Blick auf die embryonale Entwicklung der Leber einordnen. „Das ist ein straff organisierter, dynamischer Prozess. Beispielsweise gibt es nur wenige Stunden andauernde Zeitfenster, in denen dieselben regulierenden Proteine gegenläufige Effekte auf die Organentwicklung haben.
Zudem ist bekannt, dass sich die Leber in einem mehrstufigen Prozess aus dem Urdarm entwickelt“, erklärt Wiebke Albrecht, Doktorandin am IfADo und Mitautorin der Übersichtsarbeit.
Wenn ein Testsystem entwickelt wird, sollen die der Leberentwicklung zugrundeliegenden Mechanismen beachtet werden: Beispielsweise indem die Zugabe von regulierenden Proteinen in der Zellkultur optimiert wird oder Proteine gezielt unterdrückt werden, die für die Aktivierung von „ungewollten Genen“ verantwortlich sind.
Roadmap für die Entwicklung von stammzellbasierten Testverfahren
Um die Entwicklung von verlässlichen Testsystemen in der Zellkultur voranzutreiben, schlagen die Forschenden ein mehrstufiges Verfahren vor: Zunächst sollten neue Testsysteme mit wenigen Substanzen getestet werden, für die bereits durch Versuche an menschlichen Leberzellen bekannt ist, ob und auf welche Weise sie toxisch wirken.
Dieses Vorgehen gibt eine erste Orientierung, die Mehrheit der neuen Systeme fällt zu diesem frühen Zeitpunkt durch. In einem nächsten Schritt sollte das neue System mit mehreren Kontrollsubstanzen anhand bestimmter Maßzahlen standardisiert bewertet werden.
Auf diese Weise kann eingeschätzt werden, wie gut ein Testsystem die Situation im Organismus widerspiegeln kann. Anschließend sollte das Vorgehen mit einer großen Anzahl von Kontrollsubstanzen sowie von unabhängigen Forschungsgruppen überprüft werden.
„Auf diese Weise können Testsysteme entwickelt werden, die langfristig Tierversuche in vorklinischen Sicherheitsüberprüfungen von Medikamenten und Chemikalien ersetzen können.
Grundsätzlich wäre es aber auf Basis des aktuellen Forschungsstands fahrlässig, heute schon vollständig auf Tierversuche zu verzichten. Ein Verbot würde schließlich auch die Forschung zu Alternativmethoden diskreditieren“, so Toxikologe und IfADo-Direktor Prof. Dr. Jan Hengstler.
Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen):
iPS-Zellen sind pluripotente Stammzellen, die durch künstliche Reprogrammierung von nicht-pluripotenten Körperzellen entstanden sind. Unter Verwendung von molekularbiologischen Verfahren ist es im Labor möglich, beispielsweise schon spezialisierte Zellen, wie etwa Hautzellen, zu pluripotenten Zellen „zurück zu programmieren“.
Zellen, die die Fähigkeit besitzen, sich in jeden Zelltyp des Körpers entwickeln zu können, bezeichnet man als pluripotent.
Die aktuelle Forschungsarbeit wurde durch das EU-Projekt „EUToxRisk“ sowie verschiedene, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekte („StemCellNet“, „LiSyM“, „LivSysTransfer“, „SysDT-Trans“ sowie „SteatoTox“) unterstützt.
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