Verhaltensforscher und Neurowissenschaftlerin gewinnen DPZ-Förderpreis 2011

(28.10.2011) Martin Surbeck und Stephanie Westendorff gewinnen jeweils 1000 Euro und ein sechsmonatiges Stipendium an einem Institut eigener Wahl


Dr. Stephanie Westendorff
Eine herausragende Forschungsarbeit mit oder über nicht-menschliche Primaten abgeschlossen zu haben – das ist die Voraussetzung, um eine der höchstdotierten Auszeichnungen für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland zu gewinnen, den Förderpreis des Deutschen Primatenzentrums (DPZ).

In diesem Jahr wird der Preis ausnahmsweise zwei Mal vergeben, an Martin Surbeck vom MPI für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und an Stephanie Westendorff vom DPZ in Göttingen. Sie erhalten jeweils 1000 Euro und ein sechsmonatiges Stipendium, um an einem Institut eigener Wahl ein primatenbezogenes Forschungsprojekt durchzuführen.

Die Preisverleihung mit Vorträgen der Gewinner findet am 1. November um 18:15 Uhr im Hörsaal des Deutschen Primatenzentrums, Kellnerweg 4, in Göttingen statt. Besucher sind herzlich zu der Veranstaltung eingeladen.

Martin Surbeck (35) hat an der Universität Zürich Zoologie studiert und in Bangalore, Indien, seine Diplomarbeit über Fortpflanzungsstrategien von Wespen angefertigt. Nach anschließendem Abschluss des Lehramtsstudiums ging er ans Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie nach Leipzig, um dort zu promovieren. Seine im September abgeschlossene Doktorarbeit beschäftigt sich mit Dominanzverhalten und Aggressivität bei Bonobos.

Den zu den Menschenaffen gehörenden Bonobos sagt man nach, dass sie besonders friedfertig seien, was sich auch darin äußere, dass sie keine anderen Affen jagen. Dass dies nicht stimmt, konnte Surbeck zeigen: Eine von ihm beobachtete, wildlebende Bonobogruppe hat sehr wohl andere Affen verfolgt und dabei keine Sympathie für die Opfer gezeigt.

In seiner Doktorarbeit hat Martin Surbeck das Konkurrenzverhalten von wildlebenden Bonobomännchen in einem Zeitraum von zwei Jahren erstmals systematisch anhand von Verhaltensbeobachtungen und Hormonmessungen untersucht. Die Resultate zeigen, dass Bonobomännchen eine lineare Dominanzhierarchie formen, die sich im Zugang zu attraktiven Weibchen widerspiegelt.

Ranghohe Männchen, welche allgemein aggressiver sind als niederranginge Männchen, kopulieren häufiger mit fruchtbaren Weibchen und die Aggressivität steigt bei allen Männchen an, wenn die Weibchen sich dem Konzeptionszeitpunkt nähern. Bonobos weisen also Merkmale von Arten auf, in welchen die Männchen aggressiv um den Zugang zu Weibchen konkurrieren.

Daneben zeigte Surbeck, dass verschiedene zwischengeschlechtliche Beziehungen ebenfalls eine wichtige Rolle in der Paarungskonkurrenz spielen: So führen interessanterweise unter anderem Interventionen von Müttern in den Paarungswettbewerb ihrer adulten Söhne dazu, dass auch rangniedrige Männchen zu Kopulationen mit attraktiven Weibchen kommen.

Dies verringert den Effekt des Dominanzranges auf den Kopulationserfolg von Männchen. Daneben deuten Testosteronwerte darauf hin, dass die zwischengeschlechtlichen Beziehungen zu potentiellen Sexualpartnern zu aggressives Verhalten während dem Paarungswettbewerb verhindern.

„Die Verhaltensdaten geben völlig neue Einblicke in die zwischengeschlechtlichen Beziehungen erwachsener Gruppenmitglieder und beleuchten Aspekte wie beispielsweise die mütterliche Unterstützung von erwachsenen Söhnen, die auch für andere Arten relevant sein dürften, bislang in der Primatenforschung jedoch keine oder nur wenig Beachtung fanden“, sagte Christophe Boesch, Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie.

Stephanie Westendorff (30) aus Essen hat an der Ruhr-Universität Bochum Biologie studiert. Schon in dieser Zeit hat sie sich für die Elektrophysiologie interessiert, also für die Technik, mit der man die Aktivität von Nervenzellen messen kann.

Nach einem dreimonatigen Forschungsaufenthalt an der Queens-Universität in Kingston, Kanada, stand ihr Entschluss fest, auch ihre Doktorarbeit auf diesem Gebiet anzufertigen. In der Arbeitsgruppe von Alexander Gail am Deutschen Primatenzentrum bot sich der Hobby-Fußballerin dann die Gelegenheit, im Bereich der Kognitiven Neurowissenschaften zu promovieren.

„Die Aussicht, die Aktivität einzelner Nervenzellen zu messen und gleichzeitig das Verhalten der Tiere beobachten zu können und so mehr über die Planung von Bewegungen zu lernen, war sehr reizvoll für mich“, so Westendorff.

In ihrer mit „summa cum laude“, der höchsten Auszeichnung, bewerteten Doktorarbeit hat sie untersucht, wie das Primatengehirn zielgerichtete Armbewegungen plant und steuert.

Bewegungen sind meist genau auf die visuelle Wahrnehmung abgestimmt – wir sehen zum Beispiel ein Glas Wasser und greifen danach. Aber auch vorhandenes Wissen und unsere Entscheidungen spielen bei der Bewegungsplanung eine Rolle. Wir wissen, dass Trinken Durst löscht und greifen nach dem Wasser, falls wir durstig sind.

„Von zwei stark verknüpften Regionen im parietalen und prämotorischen Teil der Großhirnrinde weiß man, dass hier visuelle Sinneseindrücke und erlernte Regeln zu einem Bewegungsplan verrechnet werden“, so Westendorff. Sie hat die Informationsverarbeitung in diesen beiden Hirnregionen genauer untersucht. Dafür wurde die neuronale Aktivität vieler einzelner Nervenzellen parietalen und prämotorischen Teil der Großhirnrinde von Makaken gemessen.

Die Tiere führten währenddessen eine Aufgabe aus, bei der sie visuelle Informationen mit erlernten Regeln über räumliche Zusammenhänge zu einer Greifbewegung kombinierten. „Die Doktorarbeit von Frau Westendorff trägt substantiell zu einem besseren Verständnis von zielgerichtetem Verhalten bei Menschen und Affen bei“, sagte Alexander Gail, Leiter der Sensomotorik-Gruppe am DPZ.

Zur Zeit ist Stephanie Westendorff noch als Postdoc am DPZ, sie wird jedoch Anfang nächsten Jahres nach Toronto, Kanada, gehen um dort ihre neurowissenschaftlichen Forschungsarbeiten an Primaten fortzusetzen. „Das Stipendium hilft mir, die erste Zeit in Kanada zu überbrücken, bis mich das Institut dort finanzieren kann“, so Westendorff über die Verwendung des Stipendiums.



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