Listerien: Täterjagd mit genetischem Profil
(24.10.2019) Erbgutinformationen helfen, die Quelle von Lebensmittelinfektionen aufzuspüren
Es ist ein Wettlauf mit der Zeit: Sind mit Krankheitskeimen verunreinigte Lebensmittel im Umlauf, muss die Quelle möglichst rasch gefunden werden.
Denn es gilt, Infektionen oder gar Todesfälle so weit als möglich zu verhindern. Eine wichtige Hilfe sind dabei Methoden, mit denen die Erbgutinformation (Genom) von Krankheitserregern untersucht wird.
Wie nützlich sie sein können, zeigt das Beispiel der Aufklärung von Krankheitsausbrüchen durch Listerien. Das sind potenziell krank machende Bakterien, die in der Nahrung vorkommen.
Mit dem Vergleich von Erbgutinformationen zu Listerien konnte bereits in verschiedenen Fällen die Quelle einer Infektion gefunden werden.
Molekularbiologische Methoden und der Abgleich genomischer Informationen von Lebensmittelkeimen revolutionieren die Arbeit der Überwachungsbehörden, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. Sie sind eine hervorragende Grundlage, um mit Krankheitserregern belastete Nahrungsmittel schnell und eindeutig ausfindig zu machen.
Die zentrale Frage bei Ausbrüchen lautet: Welcher Erregertyp ist für eine Infektion verantwortlich? Herkömmliche Verfahren nutzen zum Beispiel Oberflächeneigenschaften, biochemische Auffälligkeiten oder Abschnitte von Erbgutinformation, um einem verdächtigen Mikroorganismus auf die Schliche zu kommen.
Diese Methoden haben sich zwar bewährt, können aber nicht mit letzter Genauigkeit bestimmen, um welche genetische Variante des Erregers es sich handelt. Mit dem Aufkommen hochauflösender Methoden zur Erbgutinformation (Sequenzierung) wurde es jedoch möglich, zum unverwechselbaren Kern eines Krankheitskeims vorzustoßen - seiner in den Erbanlagen (Genen) gespeicherten Bauanleitung.
Seitdem gewinnt die Genomsequenzierung (Whole Genome Sequencing, WGS) beim Auffinden krank machender Mikroben immer mehr an Bedeutung.
Vor kurzem wurde am BfR ein Studienzentrum für Genomsequenzierung und -analyse gegründet. Es dient den Untersuchungslaboren der Länder als Ansprechpartner und stellt den am Institut angesiedelten nationalen Referenzlaboratorien moderne Detektivmethoden für die Erregersuche zur Verfügung. Die nationalen Referenzlaboratorien wiederum sollen helfen, rechtzeitig Risiken zu erkennen.
Am BfR befinden sich unter anderem die Referenzlaboratorien für Listeria monocytogenes (die gefährlichste Listerienart), Salmonellen, Campylobacter und Escherichia coli.
Auch wenn die neuen Methoden bahnbrechend sind: Entscheidend bleibt auch in Zukunft, dass die Gesundheits- und Lebensmittelüberwachungsbehörden gut zusammenarbeiten. Gibt es zum Beispiel einen Ausbruch von Listeria monocytogenes beim Menschen, dann werden die von den Behörden der Lebensmittelüberwachung der Bundesländer isolierten Erreger an das BfR übersandt.
Im Nationalen Referenzlabor wird das Erbgut vollständig analysiert. Diese Genominformationen werden dann mit der Erbgutinformation von Listerien, die das Robert Koch-Institut (RKI) beim Menschen nachgewiesen hat, verglichen. Zeigt die Sequenz der Isolate eine hohe verwandtschaftliche Ähnlichkeit im Genom, weist dies in der Regel auf die Quelle des Ausbruchs hin.
Die Ergebnisse des Vergleichs werden den Überwachungsbehörden der Bundesländer übermittelt. Der reine Vergleich der Sequenz genügt meist nicht, um einen Ausbruch vollständig aufzuklären.
Es sollten stets weitere Hinweise vorliegen, die eine Übertragung plausibel erscheinen lassen. Zum Beispiel sollte der Weg eines Produkts vom Hersteller bis zu den Erkrankten zu belegen sein. Hierfür hat das BfR mit der Software FoodChain-Lab ein wirksames digitales Werkzeug entwickelt.