CASIN - Jungbrunnen für alternde Mäuse: Forschende drehen die epigenetische Uhr zurück

(13.08.2020) Forschende aus Ulm und Barcelona haben betagte Mäuseweibchen "verjüngt". Nach einer nur viertägigen Behandlung mit der Substanz CASIN lebten die Nager deutlich länger als ihre unbehandelten Artgenossen.

CASIN reduziert das altersassoziierte Protein Cdc42, das oft auch im Blut älterer Menschen erhöht nachweisbar ist. Die erfolgreiche Mäuse-Verjüngung konnten die Forschenden auch an den "epigenetischen Uhren" der Tiere ablesen.


Prof. Hartmut Geiger leitet das Institut für Molekulare Medizin an der Universität Ulm
Gemäß der in "Aging Cell" erschienenen Studie ist CASIN die einzige Substanz, die die Lebensdauer von Mäusen auch noch im fortgeschrittenen Alter und bei nur kurzzeitiger Verabreichung verlängern kann

Alternsforscher aus Ulm und Barcelona haben betagte Mäuse „verjüngt“. Als „Jungbrunnen“ diente die Substanz CASIN, die das altersassoziierte Protein Cdc42 reduziert. Nach einer nur viertägigen CASIN-Therapie lebten die Mäuse etwa 10 Prozent länger als ihre unbehandelten Artgenossen.

Den Forschern war es also gelungen, die epigenetische Uhr der Nager zurückzudrehen. Ihre Studie ist in der Fachzeitschrift „Aging Cell“ veröffentlicht worden.

Wie lässt sich der Alterungsprozess verlangsamen oder sogar wieder rückgängig machen? Diese Frage steht im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit von Forschenden um die Professoren Hartmut Geiger, Leiter des Instituts für Molekulare Medizin an der Universität Ulm, und Yi Zheng vom Cincinnati Children’s Hospital Medical Center (CCHMC).

Zumindest für Mäuse haben die Wissenschaftler eine Antwort gefunden: Offenbar verlängert die Substanz CASIN die Lebensspanne deutlich.

Die zugrunde liegenden Mechanismen beschreiben Professor Geiger und Dr. Maria Carolina Florian, Gruppenleiterin am Institut d'Investigació Biomédica de Bellvitge (IDIBELL) in Barcelona, in einer jetzt erschienenen Studie.

Aus früheren Untersuchungen wissen die Forschenden, dass die Aktivität von Cdc42 in verschiedenen Organen und im Knochenmark betagterer Mäuse erhöht ist. Dieses Protein wird mit vorzeitiger Alterung und einer verringerten Lebensdauer in Verbindung gebracht.

Auch im Blut älterer Menschen konnte ein deutlich erhöhtes Cdc42-Level nachgewiesen werden. Einen Hemmstoff zur Reduktion dieses altersassoziierten Proteins haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit CASIN (Cdc42-Aktivitäts-spezifischer-Inhibitor) ebenfalls gefunden.

„In einer vorherigen Arbeit konnten wir bereits nachweisen, dass CASIN alte, blutbildende Stammzellen ,verjüngen‘ kann, indem die Cdc42-Aktivität reduziert wird. Nach der Behandlung funktionierten sie ebenso gut wie junge Stammzellen“, erläutert Hartmut Geiger.

Nun wurde überprüft, ob eine kurzzeitige CASIN-Gabe die Lebensdauer bereits deutlich gealterter Mäuse verlängern kann. Im Experiment haben 75 Wochen alte Mäuseweibchen – dieses Alter entspricht etwa 60 bis 70 Menschenjahren – vier Tage lang alle 24 Stunden CASIN erhalten.

Tatsächlich ließ sich bereits einen Tag nach Behandlungsende eine deutlich reduzierte Aktivität des altersassoziierten Proteins Cdc42 im Knochenmark der Tiere nachweisen. Der Cdc42-Spiegel der Tiere entsprach deutlich jüngeren Artgenossen. Im weiteren Studienverlauf zeigte sich: Die „pharmakologisch verjüngten“ Mäuse lebten bis zu 10 Prozent länger als ihre unbehandelten Artgenossen (durchschnittliche und maximale Lebensspanne).

„CASIN ist somit eine Substanz, die die Lebensdauer der Mäuse auch dann noch verlängern kann, wenn ihr Alter bereits sehr fortgeschritten ist, und wenn der Wirkstoff nur kurzzeitig verabreicht wird“, beschreiben Geiger und Florian.

Neun Wochen nach diesem ersten Experiment haben die Forschenden in Zusammenarbeit mit Professor Wolfgang Wagner von der RWTH Aachen die so genannten epigenetischen Uhren in den Blutzellen der Tiere abgelesen.

Tatsächlich zeigten sich bereits 8 bis 10 Wochen nach der CASIN-Gabe deutliche Veränderungen: Mithilfe der Substanz war es gelungen, die epigenetische Uhr der behandelten Nager um etwa 9 Wochen zurückzudrehen. Somit scheinen epigenetische Veränderungen die Hauptursache für die Langlebigkeit der Mäuse zu seien.

Epigenetik bezeichnet das Zusammenspiel zwischen Umwelteinflüssen und Genen. Durch Anlagerungen von Methylgruppen an den DNA-Strang oder andere Modifikationen können Gene ein- und ausgeschaltet werden.

Zudem hatten die mit CASIN behandelten Mäuse was altersassoziierte Zytokine angeht einen vergleichbaren Serum-Spiegel wie junge Tiere.

Insgesamt konnten die Forschenden untermauern, dass eine Reduktion des altersassoziierten Proteins Cdc42 das Leben älterer Mäuse verlängert. Zudem bestätigt die Studie epigenetische Uhren als Biomarker des Alterungsprozesses. Solche Marker sind sowohl für die grundlegende Alternsforschung als auch für die Erprobung neuer Therapien bei altersassoziierten Erkrankungen hilfreich.

Publikation

M. Carolina Florian, Hanna Leins, Michael Gobs, Yang Han, Gina Marka, Karin Soller, Angelika Vollmer, Vadim Sakk, Kalpana J. Nattamai, Ahmad Rayes, Xueheng Zhao, Kenneth Setchell, Medhanie Mulaw, Wolfgang Wagner, Yi Zheng, Hartmut Geiger: Inhibition of Cdc42 activity extends lifespan and decreases circulating inflammatory cytokines in aged female C57BL/6 mice
Aging Cell


Weitere Meldungen

Henning Wackerhage, Professor für Sportbiologie an der Technischen Universität München; Bildquelle: Andreas Heddergott / TUM

Studie: Einnahme von Taurin verzögert Alterung im Tierversuch

Taurinmangel ist eine der treibenden Kräfte hinter dem Altern von Menschen und Tieren. Das zeigt eine Studie mit Beteiligung der Technischen Universität München (TUM), die im renommierten Fachmagazin „Science“ erschienen ist
Weiterlesen

Friedrich-Loeffler-Institut (FLI)

Wenn Flughunde altern, verändern sich ihre Immunzellen

Studie von FLI und HIRI enthüllt die Komplexität der Leukozyten in ägyptischen Flughunden und ihre Prägung durch das Alter
Weiterlesen

Sifaka; Bildquelle: Claudia Fichtel

Die Lebenserwartung in Primatenpopulationen wird durch die Überlebensrate der Jüngeren bestimmt

Dass wir das Altern nicht verlangsamen können, zeigt jetzt eine Studie eines internationalen Forscherteams, an dem auch Claudia Fichtel und Peter Kappeler vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen, beteiligt waren
Weiterlesen

Eine Kolonie weiblicher Bechsteinfledermäuse in ihrem Tagesquartier, einem Fledermauskasten in einem Wald bei Würzburg, Deutschland.; Bildquelle: Gerald Kerth

In warmen Sommern geborene weibliche Bechsteinfledermäuse werden größer, sterben jedoch früher

Eine Langzeitstudie Greifswalder Forscher*innen zeigt einen neuen, unerwarteten Effekt des Klimawandels: In warmen Sommern geborene weibliche Bechsteinfledermäuse werden größer
Weiterlesen

Museum für Naturkunde

Steckt in der DNA der Fledermäuse die Antwort für ein gutes Älterwerden?

Eine neue Studie in Nature Communications zeigt, dass das Alter von Fledermäusen basierend auf DNA-Methylierungsmustern mit hoher Genauigkeit vorhergesagt werden kann
Weiterlesen

Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns

Small fish populations accumulate harmful mutations that shorten lifespan

A genetics study in wild turquoise killifish shows that small populations accumulate mutations that shorten lives, helping scientists better understand how lifespan can evolve among populations
Weiterlesen

PD Dr. Alexander Eggel, Department for BioMedical Research (DBMR), Universität Bern, und Universitätsklinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie, Inselspital Bern.; Bildquelle: Alexander Eggel

Alterungsprozesse im Tiermodell rückgängig gemacht

Erhöhte Gebrechlichkeit und Immunschwäche gehören zu den Hauptmerkmalen des Alterns. Forschenden der Universität Bern und vom Inselspital, Universitätsspital Bern ist es nun im Tiermodell gelungen, diese zwei altersbedingten Beeinträchtigungen mit einer neuartigen Zelltherapie zu entschleunigen und teilweise rückgängig zu machen
Weiterlesen

Nacktmull ; Bildquelle: Jan Zwilling, IZW

Forscherteam beschreibt erstmals biochemischen Schlüsselmechanismus für Alterungsprozesse in Mäusen, Nacktmullen und Fledermäusen

Das Altern ist ein unvermeidlicher Teil des Lebens. Wie Alterungsprozesse ablaufen, unterscheidet sich zwischen Tierarten – zum Teil sogar zwischen eng verwandten – sehr stark
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen