Zwei Millionen Euro für die Archäozoologin Cheryl Makarewicz

(16.04.2018) Der Europäische Forschungsrat fördert die Forschung zur Ausbreitung nomadischer Lebensformen in der Steppe

Vor rund fünftausend Jahren entstanden die ersten nomadischen Lebensformen, genannt mobiler Pastoralismus, in der eurasischen Steppe. Mit der neuen Ausrichtung der täglichen Ernährung auf Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde stellt dies einen einzigartigen Wendepunkt in der menschlichen Vorgeschichte dar.

Die neue, nomadische Lebensform markiert eine drastische Veränderung gegenüber den sesshaften Agrargesellschaften, die bis zu diesem Zeitpunkt einen Großteil der alten Welt bevölkert hatten.


Archäozoologin Cheryl Makarewicz

In ihrem Projekt ASIAPAST wird Professorin Cheryl Makarewicz von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) die Entstehung, Verbreitung und Intensivierung des mobilen Pastoralismus in der eurasischen Steppe untersuchen. Dabei geht sie der Frage nach, welche Auswirkungen diese neue Lebensform auf die Ernährung, die sozialen und die symbolischen Welten der Menschen hatte.

Dafür erhält Makarewicz eine Förderung des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC), den ERC Consolidator Grant. Von 2.538 eingereichten Anträgen wurden 329 zur Förderung vorgeschlagen. Davon gingen 56 Grants nach Deutschland, einer davon an Professorin Cheryl Makarewicz. Sie erhält zwei Millionen Euro Föderung.

Das auf fünf Jahre angelegte Projekt „Von der Herde zum Großreich: Biomolekulare und archäozoologische Untersuchungen des mobilen Pastoralismus in der frühgeschichtlichen eurasischen Steppe“ (kurz ASIAPAST), beginnt im Mai dieses Jahres.

Gemeinsam mit ihrem Team wird Makarewicz zunächst menschliche und tierische Knochen und Zähne sowie Keramikscherben an verschiedenen Forschungsstätten in der Mongolei, in Russland, Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan sammeln. Diese Überreste der alten Kulturen enthalten ein wertvolles Archiv an biomolekularen Informationen, aus denen sich ablesen lässt, wovon sich die frühzeitlichen Nomaden ernährten, wie sie ihre Tiere betreuten und in welchem Radius sie sich bewegten.

„Dies ist das erste interdisziplinäre Projekt, das die genauen Mechanismen in Bezug auf Lebensunterhalt und soziales Miteinander untersucht, welche den Übergang von der Jagdgesellschaft zum Hirtentum vor über 4500 Jahren in dieser riesigen Region der Welt vorantrieben. Wir beschäftigen uns hier mit fundamentalen Fragen, deren Beantwortung bisher noch nie versucht wurde“, so Makarewicz.

Gemeinsam mit einem Team von Postdocs, Doktorandinnen und Doktoranden wird Professorin Cheryl Makarewicz verschiedenste archäozoologische Analysemethoden anwenden, um die menschlichen und tierischen Knochen und Zähne sowie die Keramikscherben zu untersuchen und so Antworten auf diese Fragen zu finden. Teil des Teams ist auch die Doktorandin Sarah Pleuger.

Sie ist Absolventin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und verfügt über weitreichende archäozoologische Erfahrungen mit frühgeschichtlichen Überresten von Tieren aus bronzezeitlichen Fundstellen in der Mongolei.

Ein weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team ist Taylor Hermes, dessen Promotion an der Graduiertenschule „Human Development in Landscapes“ fast abgeschlossen ist und der sich auf die genomische Analyse von Schafen, Ziegen und Rindern konzentrieren wird, um die Wege der Herden durch die Steppe nachzeichnen zu können.

Dr. Christine Winter-Schuh hat an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert und arbeitet bereits als Postdoc im Labor von Professorin Makarewicz. Sie trägt mit ihrem ausgeprägten Verständnis über die stabile Isotopen-Biogeochemie dazu bei, die Bezugsräume für die Mobilität von Menschen und Tieren zu identifizieren.

Dies wird aufzeigen, wie sich die Bezugsräume veränderten, als die Nomaden damit begannen, die Landschaften für die Ernährung ihrer Viehherden zu nutzen. Weitere Postdocs werden sich mit proteomischen Analysen von Zahnstein und kollagenen Proteinen befassen.

Auch die Analyse von Lebensmittelrestbeständen an Keramik wird von ASIAPAST unterstützt. Dies erfolgt unter anderem in Zusammenarbeit mit Laboren an den Universitäten Bristol und Manchester.

„Mit diesen biomolekularen Analysemethoden, die dem modernsten Stand der Forschung entsprechen, können wir die wesentlichen Veränderungen im Lebensunterhalt und in der Ernährung, die die Lebensform der Menschen in der Steppe veränderten, besser erkennen“, so Makarewicz.

„Dies betrifft insbesondere die Forschungsfragen, wann und wie Menschen damit begannen, Milch und Milchprodukte, aber auch das Fleisch und Fett domestizierter Tiere in ihre tägliche Ernährung zu integrieren.“

Professorin Cheryl Makarewicz und ihr Team wollen zudem erforschen, wie es dazu kam, dass Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde nicht länger als reine Grundlage für die Ernährung, sondern bald auch als symbolisches Medium betrachtet wurden.

Als solche führten sie die weit verstreuten nomadischen Gemeinschaften in Zeremonien zusammen, welche an großen Steinmonumenten durchgeführt wurden, den so genannten Kurganen und Khirigsuuren.

Bei diesen Versammlungen an den Monumenten scheint es auch rituelle Schlachtungen von Tieren gegeben zu haben, deren Fleisch als Bestandteil sozial-integrativer Feste verspeist wurde.

Die Knochen, die von diesen Festen und anderen Tierritualen übrig blieben, wurden nach den Zeremonien in den Monumenten und menschlichen Grabstätten vergraben. Zusammen unterstreichen diese Beispiele die Rolle, die Tiere bei der Entstehung der komplexen politischen Netzwerke und überregionalen Kooperationen gespielt haben, die schließlich zur Entstehung großer und mächtiger Reitervölker wie den nomadischen Xiongnu führte.


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