Neuer Wirkstoff hemmt Tumorwachstum in der Maus

(17.10.2010) Forscher der Universität Bonn haben einen neuen Weg aufgeklärt, mit dem der Körper unter anderem die Zellteilung reguliert. Mit Hilfe eines spezifischen Wirkstoffs konnten sie in diesen Mechanismus eingreifen und so das Tumorwachstum in Mäusen verlangsamen.

Sie berichten zusammen mit Kollegen aus Dortmund und Köln in der kommenden Ausgabe der Zeitschrift „Cell“ über ihre Arbeiten (doi: 10.1016/j.cell.2010.09.011).

Die Forscher dämpfen jedoch die Hoffnung auf schnelle Fortschritte in der Krebstherapie: Ob die Ergebnisse diesbezüglich hielten, was sie versprächen, sei noch völlig unklar.

Die Wissenschaftler haben in ihrer Studie den Rezeptor für den so genannten „epidermalen Wachstumsfaktor“ unter die Lupe genommen. Im Prinzip funktioniert ein Rezeptor wie die Passwort-Abfrage beim Online-Banking: Er wartet auf ein bestimmtes Signal (die Eingabe der „PIN“) und setzt dann bestimmte Prozesse in Gang – beispielsweise die Zellteilung.

So weit, so einfach. Seit gut 15 Jahren weiß man jedoch, dass die Eingabe der PIN für den Rezeptor mit dem kryptischen Kürzel ErbB nicht reicht. Die Regulation der Zellteilung ist für den Körper so wichtig, dass sie noch zusätzlich gesichert ist: Für seine Aktivierung benötigt ErbB ein weiteres Signal – sozusagen eine molekulare „TAN“.

Erst dann stößt er die Signalkette an, die schließlich zur Vermehrung der Zelle führt. Die Forscher aus Bonn, Dortmund und Köln haben nun herausgefunden, woraus diese TAN besteht.

Als PIN fungiert im Fall von ErbB der epidermale Wachstumsfaktor: Normalerweise ist der ErbB-Rezeptor ein eingefleischter Single. Sobald aber ein Wachstumsfaktor-Molekül an ihn andockt, sucht er sich einen Partner – er dimerisiert.

Ursprünglich dachten die Wissenschaftler, diese Verbrüderung reiche aus, um den Rezeptor scharf zu schalten. Inzwischen weiß man aber, dass die Orientierung der beiden ErbB-Partner zueinander eine wesentliche Rolle für die Aktivierung spielt.

Hier kommt die molekulare TAN ins Spiel – die so genannten Cytohesine. Sie bewirken augenscheinlich, dass sich vor allem aktive Rezeptor-Dimere bilden.

„Möglicherweise zwingen sie die beiden ErbB-Partner in die richtige Konformation“, vermutet der Bonner Biochemiker Professor Dr. Michael Famulok. „Dadurch erhöhen sie die Aktivität des ErbB-Rezeptors und fördern in letzter Konsequenz die Zellteilung.“

ErbB-Rezeptoren sind in vielen Tumoren überaktiv

Vor allem Krebsforscher dürften die Cell-Studie mit Interesse lesen: Der ErbB-Rezeptor ist nämlich in vielen Tumorarten überaktiv, etwa bei Lungen-, Brust- oder Eiserstockkrebs.

Das ist ein wesentlicher Grund für die unkontrollierte Zellvermehrung, die die Wucherungen so gefährlich macht. Mediziner versuchen daher schon lange, die Aktivität des Teilungs-Rezeptors zu kontrollieren. Die aktuellen Ergebnisse weisen dazu nun einen neuen Weg: die Hemmung der Cytohesine.

Famulok hat zusammen mit Kollegen bereits vor vier Jahren einen entsprechenden Hemmstoff gefunden, das so genannte SecinH3. „Wir haben mit dieser Substanz Mäuse behandelt, die an Lungenkrebs erkrankt waren“, sagt er. „Die Tumoren wuchsen daraufhin deutlich langsamer.

Dieses Ergebnis zeigt, dass Cytohesine auch in der Maus für die Aktivierung des ErbB-Rezeptors wichtig sind.“ Trotz dieser Ergebnisse dämpft er zu hoch gesteckte Hoffnungen: „Ob sich unsere Entdeckung für Therapien nutzen lässt, ist noch völlig unklar. Und selbst wenn, würden bis zur Anwendungsreife noch viele Jahre vergehen.“

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