Wie sich Rennmäuse im Licht der untergehenden Sonne orientieren

(23.01.2015) Hellbraun bleibt hellbraun: Die Fellfarbe ihrer Artgenossen erscheint für Rennmäuse auch unter verschiedenen Lichtverhältnissen gleich. Münchner Neurobiologen weisen erstmals die Fähigkeit der Farbkonstanz bei Nagetieren nach. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Vision erschienen.

Ein grüner Apfel ist grün – das Grün ist aber nicht immer gleich. Ändern sich die Lichtverhältnisse – wie etwa beim Sonnenuntergang – so ändert sich auch das Wellenlängenspektrum, das von der Frucht reflektiert wird und auf unsere Netzhaut fällt.


Die dunkelgraue Rennmaus (Bild A, rechts oben) findet ihren dunklen Artgenossen, obwohl das Fell der hellbraunen Maus im Schatten (links unten) eine ähnlichere Lichtzusammensetzung aufweist (Bild B).
Trotzdem erkennen wir die Farbe des Apfels als grün. Das menschliche Gehirn sorgt für eine Kompensation der äußeren Lichtverhältnisse, indem es die Farb- und Helligkeitszusammensetzung des gesamten Sichtfelds auswertet. Diese Fähigkeit ist als Farb- und Helligkeitskonstanz bekannt und hilft, Objekte zu identifizieren.

Forscher am Bernstein Zentrum München und der Ludwig-Maximilians-Universität München um Kay Thurley und Thomas Wachtler haben nun untersucht, ob auch Nagetiere diese bemerkenswerte Wahrnehmungsleistung zeigen.

In der Studie zeigten die Forscher Rennmäusen Farbfelder auf andersfarbigem Hintergrund. Die Tiere saßen dabei vor einer Leinwand auf einer Kugel, die wie ein Laufrad funktionierte. Sie konnten sich damit virtuell auf die Zielreize zubewegen und einen davon als Antwort auswählen.

Während des Experiments sollte die eine Hälfte der Tiere das Objekt wählen, bei dem das Testfeld im Vergleich zu seinem Hintergrund eher grünlich erschien. Die andere Hälfte sollte das Farbfeld angeben, das als bläulicher wahrgenommen wurde. Gaben die Nagetiere die richtige Antwort, so erhielten sie eine Futterbelohnung.

„Trotz wechselnder Farbzusammensetzung in den einzelnen Versuchsdurchläufen wählten die Rennmäuse zuverlässig das richtige Farbfeld“, beschreibt Thomas Wachtler das Ergebnis. Ein grüner Apfel oder eine braune Fellfarbe erscheint den Nagetieren somit unter verschiedenen Lichtbedingungen als grün oder braun.

Auch die Helligkeit eines Objektes nehmen die Tiere trotz wechselnder Lichtverhältnisse gleichbleibend wahr, wie die Forscher in einem weiteren Experiment zeigten. Die Rennmäuse sind damit die ersten Nagetiere, bei denen die Fähigkeit der Farb- und Helligkeitskonstanz nachgewiesen wurde. Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass diese grundlegende Wahrnehmungsleistung im Tierreich weit verbreitet ist.

„Für die tag- und dämmerungsaktiven Rennmäuse ist es überlebenswichtig, Objekte unter wechselnden Lichtverhältnissen zu erkennen. Sie orientieren sich anhand ihres Sehsinns um Futter zu finden oder Artgenossen zu erkennen “, erklärt Kay Thurley, Hauptautor der Studie.

Aber auch für die Neurobiologie hat das Ergebnis große Bedeutung: „Rennmäuse werden gerne als Tiermodell für die Untersuchung des Hörsinns genommen. Sie haben im Gegensatz zu anderen Nagern aber auch einen gut ausgeprägten Sehsinn. Gerade für Experimente in virtuellen Realitäten eignen sich die Nager daher gut“, so Thurley.



Weitere Meldungen

Kopf einer Zebrafisch-Larve; Bildquelle: Portugues Labor / TU München

Zebrafische navigieren zu ihrer Wohlfühl-Temperatur

Zebrafische sind kürzer als ein kleiner Finger, ihr Gehirn ist kaum halb so groß wie ein Stecknadelkopf. Dennoch verfügen die Tiere über ein effizientes Navigationssystem
Weiterlesen

In der ersten Phase des SFB gelang der Nachweis, dass das Eiweiß Cryptochrom 4 (die gelbliche Substanz im Röhrchen) magnetisch sensitiv ist. Die Forschenden stellen das Protein, das in der Netzhaut von Zugvögeln vorkommt, mit Bakterienkulturen her; Bildquelle: Universität Oldenburg/Christina Kuhaupt

Wie Tiere ihren Weg finden

Die erstaunlichen Navigationsleistungen von Vögeln, Fledermäusen und Fischen und ihre Fähigkeit, sich am Magnetfeld der Erde zu orientieren, stehen im Mittelpunkt des Sonderforschungsbereichs (SFB) „Magnetrezeption und Navigation in Vertebraten“ an der Universität Oldenburg
Weiterlesen

Eberhard Karls Universität Tübingen

Der innere Kompass: eine modulare Karte im Gehirn

Neurowissenschaftliches Team der Universität Tübingen entdeckt grundlegende anatomische Organisationsprinzipien der neuronalen Schaltkreise
Weiterlesen

Bundesamt für Strahlenschutz

Workshop zum möglichen Einfluss elektromagnetischer Felder auf Tiere und Pflanzen

Einige Tier- und Pflanzenarten können elektrische oder magnetische Felder wahrnehmen. Auch wenn in einigen Labor- und Freilandstudien teilweise Wirkungen auf Tiere und Pflanzen beobachtet werden konnten, gibt es aber nach wie vor keinen wissenschaftlich belastbaren Beweis, wonach elektromagnetische Felder unterhalb der Grenzwerte eine Gefahr für Tiere oder Pflanzen darstellen
Weiterlesen

In Nordeuropa eignet sich der sogenannte Deklinationswinkel gut, um die Ost-West-Position zu bestimmen (schwarze Linien). Das Diagramm zeigt die bevorzugte Orientierung der getesten Teichrohrsänger.; Bildquelle: Universität Oldenburg

Wie Zugvögel das Längengrad-Problem lösen

Den Längengrad zu bestimmen, war über Jahrhunderte für Seefahrer eine große Herausforderung. Erst im 18. Jahrhundert konnten die Menschen ihre Ost-West-Position ermitteln
Weiterlesen

Max-Planck-Institut

Möwen navigieren anhand von Gerüchen

Ohne ihren Geruchssinn können Heringsmöwen Abweichungen von ihrem natürlichen Flugkorridor nicht ausgleichen
Weiterlesen

Fledermäuse beobachten den Sonnenuntergang im Versuchsaufbau.; Bildquelle: MPI f. Ornithologie/ Greif

Fledermäuse nutzen Polarisationsmuster zur Orientierung

Tiere können zur Orientierung verschiedenste Sinneswahrnehmungen einsetzen. Beispielsweise verwenden Vögel das Polarisationsmuster des Sonnenlichtes in der Atmosphäre, um ihr Orientierungssystem zu kalibrieren
Weiterlesen

Freie Universität Berlin

Wissenschaftler untersuchen Orientierungsfähigkeit bei Bienen

Bienen orientieren sich einer Studie von Forschern der Freien Universität Berlin und der neuseeländischen Universität Auckland zufolge auf ähnliche Weise wie Säugetiere und Vögel
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen