Auswirkungen von Hitzestress bei Rindern, ressourcenschonende Zucht und Verbesserung des Tierwohls
Bereits seit 2011 kooperieren Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie Dummerstorf mit brasilianischen Biologen und Veterinärmedizinern, um nachhaltige Strategien zur Verbesserung der Stoffwechselstabilität und Nutzungsdauer von Rindern und ihren Haltungsbedingungen vor dem Hintergrund des Klimawandels zu entwickeln.
In verschiedenen Projekten wird der Einfluss von Hitzestress auf die Fruchtbarkeit, Eizell- und Embryonalentwicklung sowie der Energiestoffwechsel in frühen Embryonen erforscht.
„Die enge Zusammenarbeit und Vernetzung mit den brasilianischen Kollegen hat nicht nur zur einer Reihe wichtiger Erkenntnisse geführt, sondern auch einen regen Austausch mit Studenten und Nachwuchswissenschaftlern für die Forschung gefördert“, betonte Dr. Ralf Pöhland vom FBN-Institut für Fortpflanzungsbiologie.
Seit Juli 2019 arbeitet Professorin Dr. Fabiana de Andrade Melo Sterza von der Staatlichen Universität von Mato Grosso do Sul in Aquidauana (UEMS/Brasilien) als Gastwissenschaftlerin am FBN. Die Veterinärmedizinerin betreut seit 2011 federführend die Forschungskooperation und den Austausch von Wissenschaftlern für Brasilien.
„Die Landwirtschaft ist ein bedeutender Sektor für die brasilianische Wirtschaft, besonderes im Bundesland Mato Grosso do Sul im mittleren Westen Brasiliens. Die Region Mato Grosso do Sul ist so groß wie Deutschland, hat aber mit 2,67 Mio. Menschen wesentlich weniger Einwohner und mit 21,4 Mio. Tieren weitaus mehr Rinder“, machte Professorin Fabiana de Andrade Melo Sterza deutlich.
„Der Einsatz von innovativen Biotechnologien und Biomarkern in der Zucht kann die Produktion von Milch und Fleisch bei reduziertem Verbrauch von Land und Ressourcen, Vermeidung von Umweltschäden sowie Verbesserung des Tierwohls fördern. Trotz intensiver Forschung zur Fruchtbarkeit und Nutzungsdauer stagnieren seit einigen Jahren die Ergebnisse auf dem Gebiet. Mit der modernen Forschungsausstattung und dem Know-how des FBN möchten wir hier weitere Erfolge erzielen.“
Hitzeklima beeinträchtigt die Rinderhaltung
Schon seit vielen Jahren forschen Wissenschaftler an den Folgen zunehmender Hitzeperioden auf den Stoffwechsel und die Fruchtbarkeit von Milchkühen. Ähnlich wie Menschen atmen und schwitzen Kühe bei hohen Temperaturen stärker und nehmen mehr Wasser auf als bei ihrer Wohlfühltemperatur.
Diese liegt bei deutschen Milchrindern bei etwa vier bis 15 Grad Celsius. Bereits ab ca. 20 Grad müssen die Tiere zusätzliche Energie aufwenden, um ihre Körpertemperatur zu regulieren. Tropische Rassen sind eher an höhere Temperaturen angepasst.
Im Rahmen der deutsch-brasilianischen Zusammenarbeit wird in mehreren Forschungsprojekten untersucht, wie sich die Hitze bei in Brasilien angesiedelten tropischen Rinderrassen unter den unterschiedlichen Haltungsbedingungen auswirkt und welche natürlichen Anpassungsmechanismen diese Rassen entwickelt haben.
Im Fokus stehen das weiße Fleischrind Nelore, das ursprünglich vom indischen Zebu abstammt und gut an das heiße Klima angepasst ist sowie die Girolandos, die als Milchrinder in ganz Brasilien gehalten werden. Die dritte Rasse sind die vom Aussterben bedrohten fast wilden Pantaneiros, die auch hohe Temperaturen und Luftfeuchte gewohnt sind.
Forschungsergebnisse finden große Beachtung in Brasilien
„Wir konnten unter anderem nachweisen, dass die Pantaneiros im Gegensatz zu den Girolandos kaum auf Hitzestress durch sehr hohe Temperaturen und Feuchtigkeit reagieren. Die Atmungsfrequenz blieb unverändert, während die Girolandos auf Hitzestress ähnlich negativ wie die deutschen Rinder reagieren“, so Professorin Dr. Fabiana de Andrade Melo Sterza.
„Neu war für uns, dass die Pantaneirakühe bei einigen Parametern unter niedrigen Temperaturen vergleichbare Symptome wie andere Rinder unter Hitzestress zeigten. Das wollen wir weiter untersuchen.“
Eine weitere wichtige Erkenntnis waren die positiven Effekte bei der Haltungsform. „Bei einer schattigen Tierhaltung in Waldgebieten kam es selbst bei den hitzebeständigen Nelorerindern zu einer verbesserten Fruchtbarkeit und frühembryonalen Entwicklung nach künstlicher Befruchtung.“
Derzeit ist Brasilien der größte Fleischproduzent und Fleischexporteur und der zweitgrößte Embryonenproduzent der Welt. Tierschutz und Umweltschutz spielen dabei eine immer größere Rolle. Im vergangenen Jahr wurde das klimaneutrale Fleischsiegel (Brazilian beef - carbon neutral) in Brasilien etabliert.
Landwirte, die integrierte und emissionsarme Haltungssysteme in Wäldern für ihre Rinder nutzen, können in der Vermarktung mit dem Siegel werben. Hier engagiert sich vor allem mit EMBRAPA Campo Grande ein weiterer gemeinsamer brasilianischer Partner.
Zur Verbesserung der Haltungsbedingungen setzen darüber hinaus immer mehr Rinderzüchter auf einen stressfreien Umgang, den die Tierhalter „Manejo Nada na mãos“ nennen. Das steht für „nichts in den Händen“ und eine neue Praxis des Herdenmanagements mittels Sprache und Körpersteuerung.
Gemeinsame Forschung wird fortgesetzt
Die Zusammenarbeit mit den Experten aus Brasilien wird in mehreren Projekten fortgeführt.
„Zunächst geht es um die Anpassungsstrategien an die Umwelt und das Klima, die während der Domestikation und Zucht der untersuchten Rassen unter den entsprechend unterschiedlichen Bedingungen entstanden sind. Daraus sollen Züchtungsstrategien und Haltungsempfehlungen abgeleitet werden. Perspektivisch sollen verlässliche Marker, also konkrete leicht messbare genetische Merkmale, identifiziert werden, die Lösungsansätze zur Verbesserung des Tierwohls und der Tiergesundheit auch unter Hitzestress liefern“, sagte Dr. Ralf Pöhland.
„Hier verfolgen wir mehrere vielversprechende Ansätze, die sich aus der fast zehnjährigen Forschungskooperation ergeben haben.“
Hitzestress bei Nutztieren ist ein Forschungsschwerpunkt am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie Dummerstorf (FBN). Im Dummerstorfer Institut stehen Klima- und Respirationskammern zur Verfügung, in denen unter modernsten Maßgaben und mit gewünschten Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbedingungen geforscht werden kann.
Das ist zum einen für die hochleistenden Milchkühe, die im deutschen Sommer oft unter Hitzestress leiden, und zum anderen für die Verbesserung der Nutztierhaltung in südlichen Ländern auch unter dem Aspekt des Klimawandels von Bedeutung.
Publikationen
Tropical Animal Health and Production; März 2020
Shading effect on physiological parameters and in vitro embryo production of tropical adapted Nellore heifers in integrated crop-livestock-forest systems
Theriogenology; Mai 2019
Oocyte Quality and Heat Shock Proteins in Oocytes From Bovine Breeds Adapted to the Tropics Under Different Conditions of Environmental Thermal Stress
Weitere Meldungen
Neuigkeiten aus der Wissenschaft
Neue Verordnung zu MKS: Importverbot für tierische Produkte aus Ungarn gezielt angepasst
Importverbot gilt ab 14. April 2025 nur mehr für Regionen mit Schutz- oder Sperrzonen - Maßnahmen zum Schutz der Tiergesundheit bleiben aufrecht
Hardenberg Institute vermittelt Veterinär-Studienplätze
Das Hardenberg Institute vermittelt Studieninteressierte aus Österreich und Deutschland an akkreditierte Veterinär-Fakultäten im EU-Ausland
Neues Artenschutzhaus für geschmuggelte Tiere im Tiergarten Schönbrunn eröffnet
Im Tiergarten Schönbrunn wurde am 11. April 2025 das neue Artenschutzhaus eröffnet
ÖTT-Tagung 2025: 20 Jahre Tierschutzgesetz – wo stehen wir?
Die 15. Tagung der Plattform Österreichische Tierärztinnen und Tierärzte für Tierschutz (ÖTT) findet am 8. Mai 2025 online statt.
Maßnahmen gegen Maul- und Klauenseuche: Grenzübergänge vorübergehend geschlossen
Erhöhte Biosicherheitsmaßnahmen für Betriebe, Importstopp für pflanzliche Futtermittel aus betroffenen Regionen, Abstimmung zwischen Behörden läuft gut
KATZENMEDIZIN #23
Die aktuelle Ausgabe des Fachmagazins für Tierärzt:innen, KATZENMEDIZIN #23, ist soeben erscheinen
Vetmeduni Vienna verschiebt den Tag der offenen Tür
Als Vorsichtsmaßnahme wegen der in der Slowakei und in Ungarn ausgebrochenen Maul- und Klauenseuche (MKS) wird der Tag der offenen Tür in den September 2025 verschoben
Tierärztekammer fordert dringende Maßnahmen zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche (MKS)
MKS-Ausbrüche in der Slowakei und Ungarn weiterhin nicht unter Kontrolle
Fünf Erfolge der Präparator*innen für das NHM Wien
Im Februar 2025 fand zum 14. Mal die "European Taxidermy Championships", die Europameisterschaft der Präparator*innen, in Salzburg statt
Teile diesen Bericht auf:
Buchtipps Buchtipps Buchtipps

Tiergestützte Interventionen in der Psychiatrie
(16. Mai. 2025) Grundlagen, Methoden und Praxis der tiergestützten Interventionen in…Laser Therapy in Veterinary Medicine: Photobiomodulation
(9. Mai. 2025) A comprehensive, up-to-date reference to the clinical applications…Manual of Clinical Procedures in Pet…
(1. Mai. 2025) Easy-to-follow step-by-step techniques for common clinical procedures in…Esel- und Maultierkrankheiten
(22. Apr. 2025) Erstes deutsches Fachbuch zum Thema Esel- und Maultierkrankheiten…Das stille Sterben der Natur
(17. Apr. 2025) Wie wir die Artenvielfalt und uns selbst retten…Es war einmal das Huhn
(9. Apr. 2025) Eine Forschungsreise durch die bewegte Geschichte von Mensch…Internationale Veranstaltungen Int. Veranstaltungen Internationale Veranstaltungen

SIVEMAP 2025
(31. Mär. 2025) Die SASAP (Serbian Association of Small Animal Practitioners)…EVECC-Kongress 2025
(1. Mär. 2025) Der 22. European Veterinary Emergency and Critical Care…FECAVA EuroCongress 2025 in Antwerpen
(17. Feb. 2025) FECAVA lädt Sie vom 3. bis 6. September…Yaboumba Weltkongress 2025
(17. Feb. 2025) Der XV. Internationale Kongress für Medizin und Chirurgie…Webinar zum World Veterinary Dermatology Day…
(13. Jan. 2025) Die World Association for Veterinary Dermatology lädt am…Hill's Global Symposium 2024
(20. Okt. 2024) Hosted by Hill's Pet Nutrition on Oct. 24-25…Preise und Stipendien Preise und Stipendien Preise und Stipendien
