Kamelmilch: vom Geschenk Gottes zum weißen Gold des Kamels
(05.03.2013) Während die Bedeutung des Kamels als Transportmittel für den Menschen in den Hintergrund gerät, verweist die Wissenschaft zunehmend auf den ernährungs- und gesundheitlichen Nutzen der Kamelmilch. Diese enthält dreimal mehr Vitamin C als Kuhmilch, hat einen hohen Eisengehalt und beinhaltet ungesättigte Fettsäuren und verschiedene BVitamine
Das von Eva-Maria Knoll (Institut für Sozialanthropologie, Österreichische Akademie der Wissenschaften) und Pamela Burger (Institut für Populationsgenetik der Veterinärmedizinischen Universität Wien und APART-Stipendiatin der ÖAW) herausgegebene Buch Camels in Asia and North Africa. Interdisciplinary Perspectives on their Past and Present Significance (Verlag der ÖAW, 2012) wurde am 1. März präsentiert.
Pamela Burger und Eva-Maria Knoll
Ein Aspekt dieser Publikation, die aus einem internationalen und interdisziplinären Workshop in Wien hervorging, wurde im Rahmen der Buchpräsentation vertiefend diskutiert: die Kamelmilch.
Während die Bedeutung des Kamels als Transportmittel für den Menschen in den Hintergrund gerät, verweist die Wissenschaft zunehmend auf den ernährungs- und gesundheitlichen Nutzen der Kamelmilch. Diese enthält dreimal mehr Vitamin C als Kuhmilch, hat einen hohen Eisengehalt und beinhaltet ungesättigte Fettsäuren und verschiedene BVitamine, betonen die Herausgeberinnen.
Kamelmilch ist somit nicht nur ein wesentlicher Nahrungsbestandteil in ariden Regionen, sie zeichnet sich darüber hinaus durch ihre gesundheitsfördernde Wirkung aus und das macht sie auch für Europa interessant.
So kann ein in der Kamelmilch enthaltenes Insulin-ähnliches Milchprotein Diabetes lindernd beeinflussen bzw. ist sie auch bei Laktoseintoleranz bekömmlich. Ihre anti-infektiöse Wirkung wird etwa bei der Behandlung von Tuberkulose genutzt.
In Kasachstan wird fermentierte Kamelmilch oder shubat in Sanatorien eingesetzt, wo Patienten zwei Liter shubat am Tag zwei bis vier Monate verabreicht wird.
Neben diesem ernährungs- und gesundheitlichen Nutzen wird auch die globale und lokale Vermarktung von Kamelmilch diskutiert. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass Kamelmilch in einigen arabischen Gesellschaften traditionell nicht verkauft wurde, da sie als Geschenk Gottes nur verschenkt werden durfte.
Heute ist Kamelmilch jedoch ein begehrtes Handelsgut, das in Ländern wie Kenya und Somalia hauptsächlich von Frauen vertrieben wird.
Das Einkommen durch Kamelmilch entspricht dabei oft schon dem Einkommen, das durch den Kamelhandel selbst erzielt wird. Wie bereits in Teilen Afrikas könnte auch in den Ländern des schwarzen Goldes bald das weiße Gold des Kamels eine immer bedeutendere wirtschaftliche Rolle spielen.
Während zurzeit die Produktion noch mehrheitlich in Kleinbetrieben stattfindet, wächst schließlich auch das Interesse der Industrie an fermentierter, pasteurisierter und frischer Kamelmilch, wie eine neu errichtete Kamelmilchfarm in Dubai zeigt.
Ebenso schenken europäische und amerikanische Märkte Kamelmilchprodukten zunehmende Beachtung als anti-allergenes, gesundheits-förderndes Lebensmittel.
Diese lokale und globale Bedeutung von Kamelmilch wird im Rahmen der Buchpräsentation am Podium mit internationalen Expertinnen und Experten diskutiert, wie etwa mit Fuad Alzuraiq (FAO Food and Agriculture Organization of the United Nations), Bernard Faye (CIRAD International Cooperation Centre in Agronomic Research for Development), der auch am internationalen Kamelforschungszentrum in Saudi Arabien mitwirkt, Gaukhar Konuspayeva (Professor an der Al-Farabi Kazakh National University, Almaty), die in Kasachstan an der Standardisierung von Kamelmilch arbeitet, Werner Mayr, der den ersten Kamelmilchvertrieb in Österreich gegründet hat, und Eva Topelberg, Vertreterin der ersten Kamelmilchfarm Europas.
Ein interdisziplinäres Buchprojekt
Camels in Asia and North Africa zeichnet sich durch seine internationale und interdisziplinäre Ausrichtung aus und soll den Wissensaustausch zwischen Natur- und Humanwissenschaften und einer breiteren Öffentlichkeit fördern, indem es die neuesten lebens- und kulturwissenschaftlichen Erkenntnisse rund um das Kamel zusammenführt.
Das Kamel wird so zu einem boundary object, an das unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen andocken können.
Die Diskussionen der Altweltkamele (Dromedar, Baktrisches Kamel und Wildkamel) umfassen die Themen Herkunft und Domestizierung, Zucht, Haltung und Handel, sowie deren Bedeutung in soziokultureller und ökonomischer Hinsicht, in Musik, Volks- und Veterinärmedizin, und die Erhaltung der letzten Wildkamel-Populationen.
Das Buch enthält somit einen sonst kaum geführten Dialog zwischen Genetik, Veterinärmedizin, Zoologie, Archäologie, Sozialanthropologie, Arabistik, und Wild- und Nutztierkunde.
Lange Forschungstradition an der ÖAW
Dass das Buch vom Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) publiziert wird, ist sicherlich kein Zufall, wie Eva-Maria Knoll erklärt: Die Forschung zu Regionen, in denen der Mensch ohne Kamel kaum überlebensfähig ist, hat an der ÖAW eine lange Tradition.
Bereits vor mehr als 150 Jahren veröffentlichte der erste Präsident der damaligen Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall, ein Buch mit dem Titel Das Kamel, das arabische Quellen zur Zucht, Haltung und zum Handel von Kamelen behandelt.
Hammer-Purgstall erkannte bereits damals den besonderen Wert interdisziplinärer Kooperationen und ermöglichte durch die Aufarbeitung der reichhaltigen arabischen Literatur, dass auch Naturforscher und Reisende seiner Zeit das Wissen des Orients trotz mangelnder Sprachkenntnisse nutzen konnten.
Für Hammer-Purgstall sollte sein Werk, wie er in der Einleitung schrieb, ein bisher noch nicht dagewesenes Beispiel aufstellen, wie durch die Wörterkunde und Philologie die Naturgeschichte und Physiologie gefördert werden können.
Im Anschluss an die in englischer Sprache abgehaltene Buchpräsentation und Podiumsdiskussion laden die Veranstalterinnen zu einer Verkostung von Kamelmilch und Kamelmilchprodukten wie etwa Kamelmilchschokolade ein.