Justyna Wolinska erhält Lebenszeitprofessur für Aquatische Evolutionsökologie

(16.12.2021) Die IGB-Forscherin Justyna Wolinska hat die sechsjährige Tenure-Track-Phase erfolgreich bestanden und wurde nun gemeinsam vom IGB und der Freien Universität Berlin auf eine unbefristete Professur für Aquatische Evolutionsökologie berufen.

Justyna Wolinska untersucht seit fast 20 Jahren evolutionäre und ökologische Prozesse in aquatischen Ökosystemen, die durch Parasiten beeinflusst werden. Parasiten sind allgegenwärtig und bewirken bei ihren Wirten eine starke Selektion, wenn diese Resistenzen entwickeln – während sie selbst einer starken Selektion unterliegen, um wiederum die Abwehrkräfte des Wirts zu untergraben.


Justyna Wolinska forscht seit 2014 am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB).

Justyna Wolinska und ihre Forschungsgruppe Evolutionsökologie von Krankheiten wollen verstehen, wie sich solche Wirt-Parasiten-Koevolutionen und wichtige ökologische Prozesse im Zuge globaler Umweltveränderungen gegenseitig beeinflussen. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Fragen, wie Parasitismus zur Erhaltung der genetischen Vielfalt beiträgt und wie er die Beziehungen zwischen Wirts- und Nichtwirtsarten gestaltet; und wie künftige Umweltveränderungen das Auftreten von Krankheiten und damit einhergehende ökologische Effekte beeinflussen werden.

Justyna Wolinskas Forschungsgruppe verwendet eine Kombination aus empirischen Ansätzen. Mit Feldstudien an natürlichen Populationen erforscht die Gruppe die Zusammenhänge zwischen parasitärer Infektion und genetischer Vielfalt sowie zwischen Umweltfaktoren und dem Auftreten von Krankheiten.

Sie untersuchen insbesondere phänotypische und genetische Veränderungen in natürlichen Populationen, die an Orten mit einem breiten Spektrum von Umweltbedingungen leben.

 Eine weitere Komponente ihrer Forschung umfasst experimentelle Ansätze, von Experimenten mit einer einzigen Generation bis hin zu Langzeitstudien, einschließlich experimenteller Evolutionsversuche. Als Hauptmodellorganismus konzentriert sich ihre Gruppe auf den Wasserfloh Daphnia, der ein etabliertes Modell in der Ökologie, Evolutionsforschung und Genomik ist und eine Schlüsselkomponente der aquatischen Nahrungsnetze darstellt.

Seit Kurzem sind Daphnien und ihre Mikroparasiten auch ein Modell für die epidemiologische Forschung. Darüber hinaus erforscht Wolinska mikroskopisch kleine Algen, die schädliche Algenblüten bilden können, wodurch sich die Wasserqualität verändert, und die für eine Reihe von Krankheitserregern anfällig sind.

Lesen Sie auch das Interview mit Justyna Wolinska zum Thema Krankheit kann auch etwas Positives sein: Wie Parasiten helfen, Cyanobakterien einzudämmen.

Neugier wecken in der Lehre

Bevor sie 2014 ans IGB und die Freie Universität Berlin kam, hat Justyna Wolinska in vier verschiedenen Ländern und an fünf verschiedenen Forschungsinstituten und Universitäten gearbeitet. Neben ihrer Forschungstätigkeit ist sie in der Hochschullehre tätig.

An der Freien Universität Berlin hält sie zum Beispiel Seminare über Evolutionsökologie und Globalen Wandel sowie zum Design wissenschaftlicher Experimente: „Um die Neugier der Studierenden zu wecken, bemühe ich mich, ein interaktives und diskussionsfreundliches Umfeld zu schaffen, auch wenn die Gruppe groß ist. Zum Beispiel konfrontiere ich die Studierenden oft mit kontroversen Aussagen oder Fallstudien und organisiere Gruppen-Brainstormings und Diskussionen.“

Vielfalt ist der Schlüssel, nicht nur in aquatischen Ökosystemen

Ergänzend zu ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit setzt sich Justyna Wolinska für ein freundliches und sicheres Umfeld am Institut und in der wissenschaftlichen Gemeinschaft ein. Sie ist der festen Überzeugung, dass ein stärkeres Augenmerk auf Vielfalt und Inklusion nicht nur die Kultur am Institut, sondern auch unsere wissenschaftliche Arbeit verbessern wird:

„Jede*r Einzelne bringt einzigartige Perspektiven ein, und diese Mischung von Perspektiven ebnet den Weg für klügere Entscheidungen, bessere Ideen und Ergebnisse sowie mehr Innovation; dadurch maximieren wir das Potenzial der Gruppe.“

In ihrer Funktion als stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte zur Unterstützung von Frauen in der Wissenschaft, und zusammen mit der IGB Diversity and Inclusion Group analysiert sie die Rekrutierungsprozesse am IGB, organisiert Workshops zu Diversität oder unbewussten Vorurteilen und treibt die Entwicklung der Diversity and Inclusion Strategy für das IGB voran.

Ihr Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle wertgeschätzt und sicher fühlen und so ihr persönliches und einzigartiges Potenzial in die Arbeit einbringen können.

Justyna Wolinska über ihre Professur

„Es macht mir besonders viel Freude Experimente zu entwerfen, die eine zuverlässige Beurteilung bestimmter Forschungshypothesen ermöglichen. Einerseits muss man vorsichtig und umsichtig sein, um mögliche Störfaktoren zu vermeiden und den Plan realistisch zu halten, andererseits muss man innovativ sein und Risiken eingehen“, beschreibt Wolinska die Motivation für ihre Tätigkeit. „Aussagekräftige Experimente zu konzipieren, um biologische Geheimnisse zu lüften, ist für mich sehr aufregend und kaum zu übertreffen.“

„Die Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels und anderer vom Menschen verursachter Störungen stellt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar. Auch die Häufigkeit und Schwere von Infektionskrankheiten wird sich den Prognosen zufolge erheblich verändern. Meine Aufgabe ist es, die Entwicklung von Krankheitserregern in dieser sich verändernden Welt zu entschlüsseln und Wissen zu generieren, das dazu beiträgt, unsere Fähigkeit zur Vorhersage von Krankheitsverläufen zu verbessern.

Meine Forschungsgruppe setzt sich auch für eine stärkere Integration von Krankheiten in die ökologische Forschung ein. Um die Vorhersagbarkeit von Ökosystemveränderungen unter zukünftigen Umweltszenarien – beispielsweise die zunehmende Häufigkeit von schädlichen Algenblüten – zu verbessern, müssen wir alle wichtigen Akteure, einschließlich Parasiten, berücksichtigen.“



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