Genetischer Geschlechtsmarker bei Stören entdeckt
Forschende haben im internationalen Projekt STURGEoNOMICS unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) einen molekularen Marker zur Geschlechtsidentifizierung bei Stören entdeckt.
Dies ist ein wissenschaftlicher Durchbruch für die Evolutionsbiologie, den Artenschutz und die kaviarproduzierende Aquakultur.
Der genetische Nachweis charakterisiert das älteste bekannte System genetischer Geschlechtsbestimmung bei Wirbeltieren mit mikroskopisch nicht unterscheidbaren Geschlechtschromosomen.
Die kurze geschlechtsspezifische DNA-Sequenz wurde bei mehreren Störarten nachgewiesen und geht auf einen gemeinsamen Stör-Vorfahren vor 180 Millionen Jahren zurück.
Schon lange wird international nach geschlechtsgebundenen genetischen Markern bei Stören gesucht, denn an äußeren Merkmalen lässt sich das Geschlecht bei Stören nicht ablesen und sie besitzen keine differenzierten Geschlechtschromosomen, die sich unter dem Mikroskop unterscheiden ließen.
Dem Genomiker Dr. Heiner Kuhl, Erstautor der Studie vom IGB, ist nun die Entdeckung einer winzigen, nur bei Störweibchen vorhandenen, genetischen Region gelungen. Voraussetzung dafür waren Gesamtgenom-Sequenzierungen von zahlreichen Weibchen und Männchen des Sterlets (einer Störart), die am französischen INRAE im Labor von Dr. Yann Guiguen durchgeführt wurden.
Wissenschaftlicher Durchbruch nach jahrzehntelanger Suche
Mit der Entdeckung dieses genetischen Elements wiesen die Forschenden gleichzeitig das älteste bekannte geschlechtsbestimmende System mit undifferenzierten Geschlechtschromosomen bei Wirbeltieren nach – es ist rund 180 Millionen Jahre alt. „Das ist ein wissenschaftlicher Durchbruch.
Bereits seit Jahrzehnten wird international nach genetischen Geschlechtsmarkern bei Stören gesucht“, sagt Evolutionsbiologe Dr. Matthias Stöck, Leiter der Studie vom IGB, und fügt hinzu: „Nur die internationale Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus drei europäischen Ländern hat diesen Erfolg ermöglicht, an dem Genomiker des INRAE aus Rennes in Frankreich, Forschende um Prof. Dr. Manfred Schartl von der Universität Würzburg und um Dr. Mitica Ciorpac vom rumänischen Donau-Institut, DDNI, beteiligt waren.“
Bislang wird das Geschlecht der Störe per Ultraschalldiagnostik oder durch Biopsien identifiziert. Für die zuverlässige Anwendung der Ultraschall-Methode müssen die Störe allerdings fortgeschrittene Reifestadien erreichen, was mitunter 6 bis 10 Jahre dauern kann.
Biopsien der Geschlechtsorgane sind invasiv und stressen die Fische oder schädigen sie sogar. Mit Hilfe des entwickelten Markers reicht künftig ein Hautabstrich mit einem Wattestäbchen, um anhand der DNS Weibchen von Männchen zu unterscheiden. Dieser Test ist sogar zuverlässiger als die bisher verwendeten Methoden.
Einsatz für den Artenschutz
Viele der weltweit vorkommenden 27 Störarten sind stark bedroht. Für den Artenschutz der Störe ist der Marker ein gutes Instrument, um nicht-invasiv das Geschlecht von Zuchttieren zu identifizieren, welche als künftiger Laichbestand in Wiederansiedlungsprogrammen vorgesehen sind.
„So können Störe für lebende Genbanken gezielter ausgewählt werden, und zwar nicht nur auf Grundlage seltener Allele, sondern auch aufgrund ihres Geschlechts. Fische, die nicht für den Aufbau von Laichbeständen ausgewählt wurden, könnten gleich ausgewildert werden“, prognostiziert Dr. Jörn Gessner, Mitautor der Studie, der am IGB das Projekt zur Wiederansiedlung der heimischen Störe koordiniert.
Effizientere Aquakultur für Fisch und Kaviar
In der Aquakultur könnte die Methode künftig der nicht-invasiven Früherkennung von Fischen dienen, die für die Aufzucht genutzt werden sollen. Das ermöglicht eine Spezialisierung der Produktion auf Kaviar mit den weiblichen und auf Fleisch mit den männlichen Tieren.
Der Test sollte jedoch keinesfalls zum „Verwerfen“ männlicher Störe führen, wie die Forschenden explizit betonen. Dieser ethische Aspekt soll unbedingt berücksichtigt werden.
„Im nächsten Schritt wird es darum gehen, mit dem Marker einen Test zur Geschlechtsbestimmung zu entwickeln, der noch einfacher in der Praxis angewendet werden kann“, sagt Heiner Kuhl.
Rätsel um Geschlechtsevolution beim Stör
Die sexuelle Fortpflanzung ist ein evolutionär altes Merkmal des Lebens. Bei Wirbeltieren bestimmen entweder Reize aus der Umwelt oder die Gene die Geschlechtsentwicklung, manchmal auch eine Kombination aus beiden. Wechselwarme Wirbeltiere, wie Fische und Amphibien, haben meist keine differenzierten Geschlechtschromosomen – also kein mikroskopisch unterscheidbares XX/XY-System wie Säugetiere oder ZW/ZZ-System wie Vögel.
Geschlechtschromosomen vieler Fische und Amphibien unterscheiden sich nur auf der DNA-Ebene. Dafür gibt es mehrere Erklärungen: Meistens übernimmt bei verschiedenen Arten jeweils ein anderes Master-Gen die erste Weichenstellung der Geschlechtsbestimmung, aber sogar ein evolutionärer Wechsel der Geschlechtschromosomen, selbst bei nah verwandten Arten, ist möglich.
Heute gibt es 27 Stör- und Löffelstör-Arten, die sich vor etwa 330 Millionen Jahren von der Linie der 31.000 heute lebenden Knochenfische abgespalten haben. Anders als bei vielen anderen Wirbeltieren war die Evolution der Störe durch erstaunlich geringe Veränderungen im Erbgut und im „Bauplan“ geprägt.
„Die Konservierung der weibchenspezifischen Sequenz über 180 Millionen Jahre der Störevolution und trotz Polyploidisierung – einer Vervielfachung der Chromosomen in der Familie der Störe – wirft viele interessante biologische Fragen auf“, erläutert Matthias Stöck.
Wie konnte der Geschlechtslokus diese Verdopplung des gesamten Erbgutes überstehen? Warum wurde bei Stören die genetische Geschlechtsbestimmung anscheinend konserviert, während viele Fischarten vielfach wechselnde Geschlechtsbestimmungssysteme evolviert haben?
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