Ausgestorbene Krim-Eidechse war Italiener

(25.10.2019) Senckenberg-Forscher haben gemeinsam mit einem ukrainischen Kollegen das 120 Jahre alte Sammlungsstück einer „Krim-Eidechse“ untersucht. Die Tiere galten bislang als eine nur auf der Halbinsel vorkommende Smaragdeidechse.

Mittels Erbgut-Untersuchungen konnte das Team zeigen, dass es sich bei den Reptilien stattdessen um eine aus Italien eingeführte Art handelt. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von historischen Sammlungen. Die Studie erscheint heute im Fachjournal „Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research“.

„Lacerta viridis magnifica Sobolevssky, 1930“ – so lautet die Etikettbeschriftung einer in Formalin und Alkohol konservierten Eidechse in der Sammlung des Zoologischen Museums an der Universität Moskau.


Das 120-jährige Sammlungsstück wurde anhand von mitochondrialer DNA entlarvt.

„Insgesamt gibt es nur fünf Exemplare dieser Art, alle wurden vor über 100 Jahren auf der Halbinsel Krim gefangen und von dem russischen Biologen Sobolevssky wissenschaftlich beschrieben“, erklärt Professor Dr. Uwe Fritz vom Museum für Tierkunde an den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden.

Die Eidechsen galten als eine auf der Krim vorkommende, heute ausgestorbene Art oder Unterart der Smaragdeidechse. „Das klang auch erst einmal plausibel – es gibt noch eine weitere Eidechsenart, die ausschließlich in diesem Gebiet lebt.

Die geringe Anzahl der bekannten Sammlungsstücke hat uns aber stutzig gemacht“, ergänzt Fritz.

Der Dresdner Wissenschaftler hat nun gemeinsam mit dem Senckenberger Dr. Christian Kehlmaier und Dr. Oleksandr Zinenko von der Nationalen Ukrainischen Universität in Kharkiv eines der alten Museumsexemplare mit hochmodernen Methoden untersucht.

Sie kommen anhand von DNA-Analysen zu dem Schluss, dass es sich bei den Krim-Eidechsen nicht um eine eigene Art, sondern um Vertreter der Westlichen Smaragdeidechse (Lacerta bilineata) handelt.

„Das war wirklich ein überraschendes Ergebnis. Das Verbreitungsgebiet dieser Reptilien ist nämlich sehr weit von der Krim entfernt – die nächsten Vorkommen gibt es 1500 Kilometer entfernt auf der kroatischen Insel Cres!“, erläutert Fritz.

Doch wie gelangten die grünen Eidechsen dann auf die ukrainische Halbinsel? Fritz hierzu: „Im Mittelalter existierte auf der Krim eine Genueser Kolonie, genau in dem Gebiet, in dem die Eidechsen vor über 100 Jahren gefangen wurden. Bis zum frühen 20. Jahrhundert bestanden dort zudem enge Beziehungen zu Italien: Familien genuesischer Abstammung schickten ihre Kinder zur Schule nach Italien, wo es wiederum große Vorkommen von Lacerta bilineata gibt.“

Das Wissenschaftlerteam schlussfolgert, dass die ausgestorbenen „Krimeidechsen“ daher entweder versehentlich oder absichtlich aus Italien eingeschleppt wurden.

„Unsere Studie unterstreicht die Bedeutung von historischen Sammlungen – durch neue genetische Methoden können wir selbst aus uralten Präparaten Erbgut zur Untersuchung gewinnen und vielleicht erweisen sich noch mehr vermeintlich ausgestorbene Arten als solche wissenschaftlichen Irrtümer!“, betont Erstautor Kehlmaier.


Weitere Meldungen

Meerechse auf der Insel Fernandina auf den Galapagos-Inseln; Bildquelle: Dr. Amy MacLeod

Meerechsen-Zählen auf Galápagos: Projekt „Iguanas from Above“ untersucht Lebensräume der Tiere

Ein Forscherteam der Universität Leipzig hat in den vergangenen Wochen auf den Galápagos-Inseln mit Drohnen Luftbilder von Meerechsen aufgenommen
Weiterlesen

Die neue Art Calotes goetzi zeigt sich hier in spektakulärem Grün mit braunen Flecken.; Bildquelle: Peter Geißler

Drei neue farbenfrohe Echsen-Arten erstmalig beschrieben

Südostasien ist ein Hotspot der globalen Artenvielfalt. Immer wieder werden auch hier neue Arten entdeckt, was zeigt, dass die Biodiversität bei weitem noch nicht ausreichend erforscht ist
Weiterlesen

Ungewöhnlichen Fund: Ein winziger Eidechsen-Vorderfuß der Gattung Anolis ist im rund 15 bis 20 Millionen Jahre alten Bernstein eingeschlossen.; Bildquelle: Jonas Barthel

Seltenes Echsenfossil überdauerte im Bernstein

Der winzige Vorderfuß einer Eidechse der Gattung Anolis ist vor rund 15 bis 20 Millionen Jahre in Bernstein eingeschlossen worden. Bei dem seltenen Fossil ist unter dem Mikroskop jedes Detail erkennbar.
Weiterlesen

Waldeidechse; Bildquelle: Miguel Vences/TU Braunschweig

Echsen mögen keine Klimaerwärmung

Als wechselwarme Tiere sind Eidechsen eine Tiergruppe, die als „heliotherm“ gilt. Sie brauchen Wärme und Sonneneinstrahlung, um die Körpertemperatur zu erreichen, die sie mögen. Also werden Eidechsen wohl vom Klimawandel profitieren. Wirklich?
Weiterlesen

Modelle des Zahnschmelzes von Schuppenechsen: Links die Zähne eines Muschel- und Schneckenfressers, mit rauer Oberfläche. Rechts die schwächer gefurchte Schmelzoberfläche eines Allesfressers.; Bildquelle: Daniela E. Winkler, Michelle Aimée Oesch

Abnutzungsspuren an Zähnen von Schuppenechsen geben Hinweise auf deren Ernährungsweise

Mikroskopische Aufnahmen ermöglichen unter anderem Unterscheidung in Fleisch- und Pflanzenfresser. Wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entdeckung der ersten pflanzenfressenden Landwirbeltiere?
Weiterlesen

Ein Mississippi-Allligatormännchen beim Bellowen; Bildquelle: Stephan Reber

Alligatoren kommunizieren Artgenossen ihre Größe – zum Abschrecken oder Verführen

Mississippi-Alligatoren produzieren laute, tief klingende Rufe, sogenannte "Bellows"
Weiterlesen

Grüne Baumeidechse; Bildquelle: Daniel Zupanc

Welterstnachzucht der Grünen Baumeidechse im Tiergarten Schönbrunn

Sie ist nur wenige Zentimeter groß und dennoch eine Sensation: Im Tiergarten Schönbrunn ist am 18. Juni eine Grüne Baumeidechse geschlüpft – zum ersten Mal in einem Zoo. „Grüne Baumeidechsen sind in Kenia und Tansania heimisch
Weiterlesen

Die neue Art Adolfus masavaensis – aus dem Aberdare Gebirge; Bildquelle: W.R. Branch

Neue Art aus der Familie der Eidechsen in Kenia entdeckt

Reptilienspezialisten Dr. Philipp Wagner, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der herpetologischen Sektion des Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn, beschreibt gemeinsam mit Zoologen aus den USA, Südafrika und Kenia eine neue Art aus der Familie der Eidechsen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen