Göttinger Biologen entdecken Genomverdopplung in Spinnen und Skorpionen

(01.08.2017) Um die Vielfalt in der Natur und deren evolutive Mechanismen zu verstehen, setzen Evolutionsbiologen auf die vergleichende Analyse von Genomen.

Der Begriff „Genom“ bezeichnet das gesamte Erbgut, das in jeder einzelnen Körperzelle hinterlegt ist und die Information für die arttypische Ausbildung von Merkmalen enthält.

Georg-August-Universität Göttingen Beispielsweise ist im Genom einer Fruchtfliege hinterlegt, dass diese Flügel ausbildet, während im Genom einer Spinne die Information zur Entwicklung von Spinn- und Giftdrüsen enthalten ist.

Bisher wurde lediglich bei Wirbeltieren eine Verdopplung des Erbguts festgestellt. Wie ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Göttingen nun erstmals herausgefunden hat, haben die Genome von Spinnen und Skorpionen ebenfalls eine Genomduplikation durchlaufen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift BMC Biology erschienen.

Tatsächlich besitzen Menschen zwei Kopien von zahlreichen Genen, während Fische oft sogar vier Kopien aufweisen. Die Evolutionsbiologen vermuten, dass solche Verdopplungen des Erbguts auf einen Schlag reichhaltiges genetisches Material für Neuentwicklungen zur Verfügung stellen.

Sie sprechen dabei von einem „Spielplatz für die Evolution“. Ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung der Oxford Brookes University, des Baylor College of Medicine/Human Genome Sequencing Center und der Universität Göttingen hat die Genome einer Spinne und eines Skorpions entschlüsselt und mit denen anderer Tiere verglichen.

„Wir haben jetzt endlich eine Tiergruppe identifiziert, in denen Genomverdopplungen unabhängig von denen der Wirbeltiere entstanden sind“, sagt Prof. Alistair McGregor von der Oxford Brookes University.

„Somit können wir erstmals den Einfluss dieses faszinierenden biologischen Phänomens auf die Entstehung von Innovationen vergleichend untersuchen.“

„Wir konnten am Beispiel von Faktoren, die an der Embryonalentwicklung aller bisher untersuchten Tiere beteiligt sind, eindrucksvoll zeigen, wie die Verdopplung des genetischen Materials im Verlauf der Evolution schrittweise zur Ausprägung neuer Funktionen beitragen kann“, so Dr. Nico Posnien von der Universität Göttingen.

Das Team hat damit die Basis für zukünftige Projekte gelegt: „Jetzt können wir zum Beispiel verstehen, wie Spinnen faszinierende Strukturen und neuartige Organe, wie zum Beispiel Spinndrüsen zur Herstellung von Spinnenseide, ausbilden konnten“, so Dr. Nikola-Michael Prpic-Schäper von der Universität Göttingen.

Publikation

Evelyn E. Schwager et al. The house spider genome reveals an ancient whole-genome duplication during arachnid evolution. BMC Biology. https://bmcbiol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12915-017-0399-x



Weitere Meldungen

Die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea) kann bis zu zwei Meter groß werden.; Bildquelle: National Seashore, WikimediaCommons

Panzergröße: Wie sich Schildkröten in den letzten 200 Millionen Jahren entwickelten

Internationale Forschende haben die bisher umfänglichste Datensammlung zu Körpergrößen von rezenten und fossilen Schildkröten zusammengestellt
Weiterlesen

Lebendrekonstruktion zweier Keichousaurier; Bildquelle: @Takumi

Einblicke in die sexuelle Entwicklung eines im Meer lebenden Reptils

Fossile Skelette faszinieren Wissenschaftler seit langem als Fenster zur Urzeit. Aber bislang ist wenig über Details zur sexuellen Entwicklung ausgestorbener Lebewesen bekannt
Weiterlesen

Skelett und Schädel (Vergrößerung) eines der seltenen Funde von Tsoabichi greenriverensis, einem frühen Kaiman, aus den rund 52 Millionen Jahre alten Gesteinen der Green-River-Formation in Wyoming, USA.; Bildquelle: A. Fatz, T. Massonne, G. Darlim

Forscher der Universität Tübingen ordnen seltene Fossilfunde in die Evolutionsgeschichte der Krokodile ein

Zwei rund 52 Millionen Jahre alte Fossilfunde aus der Green-River-Formation im US-amerikanischen Wyoming konnten in einer neuen Studie in die Evolutionsgeschichte der Krokodile eingeordnet werden
Weiterlesen

Fossil von Taytalura alcoberi; Bildquelle: R. Martinez

Neue Erkenntnisse zur Evolution der Schuppenechsen

Eine neue Art mit dem Namen Taytalura alcoberi ist ein 231 Millionen Jahre alter Vorfahre der sogenannten Lepidosaurier, zu denen die Echsen und Schlangen gehören
Weiterlesen

Museum für Naturkunde

Wie die Knochenstruktur von Reptilien neue Einblicke in die Evolutionsgeschichte gewährt

Ein internationales Forschungsteam um den Evolutionsbiologen Roy Ebel am Museum für Naturkunde Berlin analysierte das Schädeldach von Reptilien mittels Computertomografie (CT)
Weiterlesen

Brückenechse ; Bildquelle: Bernard Spragg. NZ

Brückenechse: Evolutionäres Geheimnis um „lebendes Fossil“ gelüftet

Erstmals hat ein internationales Team von Wissenschaftler*innen, zu dem auch Dr. Stefan Prost vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik gehört, das Genom der Brückenechse entschlüsselt
Weiterlesen

Der Schädel von Schildkröten unterscheidet sich stark von dem anderer Reptilien.; Bildquelle: I. Werneburg

Weiteres Teil der Schildkrötenevolution hinzugefügt

In einer im Fachjournal „Nature Scientific Reports“ veröffentlichten Studie hat Senckenberger Ingmar Werneburg mit einem internationalen Team bestehende Hypothesen widerlegt und neues Licht auf die Evolution der Schädelarchitektur geworfen
Weiterlesen

Lebend-, Schädel- und Gehirnrekonstruktion von Proganochelys quenstedti, der ältesten Schildkröte (210 Millionen Jahre) mit vollständigem Panzer; Bildquelle: Stephan Lautenschlager, Universität Birmingham

Schildkrötengehirne sind komplexer als gedacht

Neue Studie wirft Licht auf die Gehirnevolution der Schildkröten und ihre frühen Umweltanpassungen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen