Die Genexpression im Gehirn zeigt, wie Vögel während ihrer nächtlichen Wanderungen Energie verbrauchen können
Vogelzüge sind eine der extremsten und energieaufwändigsten Strategien, die sich im Tierreich entwickelt haben. Vor diesem Hintergrund sind die saisonalen Wanderungen bei Vögeln durch eine rasche physiologische und metabolische Umgestaltung gekennzeichnet.
Dazu zählt auch die beträchtliche Anhäufung von Fettspeichern und eine Zunahme der Nachtaktivität. Welche Rolle molekulare Grundlagen und Anpassungen des Gehirns dabei spielen, war bislang allerdings kaum bekannt.
Eine internationale Studie unter Leitung der Vetmeduni bringt nun Licht ins Dunkel. Das Paper erschien in Scientific Reports.
In ihrer Studie setzten die Forscher:innen Wachteln (Coturnix coturnix) kontrollierten Veränderungen der Tageslänge aus, um die Herbstmigration in den Süden zu simulieren. Danach blockierten sie die Photoperiode, bis die Vögel in die nicht-migratorische Überwinterungsphase eintraten.
Hochregulierung von Genexpressionsnetzwerken während des Vogelzugs
Nun führte das Forschungsteam eine RNA-Sequenzierung ausgewählter Gehirnproben (Hypothalamus) durch, die von Vögeln zu einem standardisierten Zeitpunkt in der Nacht entnommen wurden, wenn die Unruhe am größten und die Körpermasse am höchsten war.
„Wir fanden heraus, dass der Zugzustand mit einer Hochregulierung einiger weniger, aber funktionell gut definierter Genexpressionsnetzwerke verbunden war, die am Fetttransport, Protein- und Kohlenhydratstoffwechsel beteiligt sind“, so Valeria Marasco, Studien-Erstautorin und Assistenzprofessorin für Wildtierphysiologie am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni.
Genexpression folgt der Tageszeit mit einem Maximum während der Nacht
Weitere Analysen, die sich auf Kandidatengene (Apolipoprotein H [APOH], lysosomal assoziiertes Membranprotein-2 [LAMP2]) aus tagsüber bzw. nachts entnommenen Proben aus der gesamten Studienpopulation konzentrierten, ergaben Unterschiede in der Expression dieser Gene in Abhängigkeit von der Tageszeit, wobei die höchsten Expressionswerte bei den nachts entnommenen Proben von Zugvögeln festgestellt wurden.
„Außerdem fanden wir klare Belege, dass die Expression von APOH bei den Zugvögeln positiv mit der nächtlichen Aktivität verbunden war. Bei der Kontrollgruppe der Nicht-Zugvögel und bei den tagsüber beprobten Zugvögeln war ein solcher Zusammenhang hingegen nicht zu sehen“, erklären die Studienautoren Steve Smith und Leonida Fusani vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni (KLIVV).
Expression von Apolipoproteinen als Grundlage nächtlicher Zugbewegungen
Die Ergebnisse liefern laut den Wissenschafter:innen neue experimentelle Beweise dafür, dass hypothalamische Veränderungen in der Expression von Apolipoproteinen, die den zirkulierenden Transport von Lipiden regulieren, wahrscheinlich wichtige regulatorische Aktivatoren für nächtliche Zugbewegungen sind.
„Wir gehen davon aus, dass unsere Studie den Weg ebnet für tiefer gehende funktionelle Untersuchungen der saisonalen physiologischen Umstrukturierung, die der Entwicklung des Migrationsphänotyps zugrunde liegt“, so Valeria Marasco.
„Das Verständnis der neurologischen und molekularen Substrate durch die stark saisonabhängige Arten wie wandernde und überwinternde Wirbeltiere ihren Energiestoffwechsel saisonal und täglich anpassen können, ist der Schlüssel, wenn wir die Auswirkungen der anhaltenden klimatischen Herausforderungen auf den Lebensverlauf und die Fitness von Organismen verstehen wollen, während wir in die disruptiven Phasen des Anthropozäns eintreten“, so Marasco abschließend.
Publikation
Der Artikel „Brain gene expression reveals pathways underlying nocturnal migratory restlessness “ von Valeria Marasco, Leonida Fusani, Patricia Haubensak, Gianni Pola und Steve Smith wurde in „Scientific Reports“ veröffentlicht.
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