Erstmals auch in der Ostsee beobachtet: Delfinattacken auf Schweinswale

(24.01.2017) Deutsche und Dänische Wissenschaftler untersuchten betroffene Tiere.

Seit 2015 wurden in der dänischen und deutschen Ostsee vier Große Tümmler (Tursiops truncatus) registriert.

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Die Delfine hielten sich einzeln oder paarweise in der Bucht bzw. in den Förden von Fredericia, Flensburg, Eckernförde, Kiel und im Großen Belt auf. Dort erregten sie großes Interesse und einige Menschen versuchten mit den Delfinen zu schwimmen.

„Das ist jedoch keinesfalls ungefährlich“, sagt Professorin Dr. Ursula Siebert, Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), „die marinen Säugetiere können Träger von Infektionen sein, die auf den Menschen übertragbar sind.

Außerdem können sie sich anderen Lebewesen gegenüber aggressiv verhalten – wie die Attacken auf Schweinswale zeigen.“

Wie bereits in den 90-iger Jahren in Schottland beobachtet, attackierten Delfine auch in der Ostsee die dort heimischen Schweinswale. Mehrere Beobachter berichteten von solchen Vorkommnissen.

Die Attacken kamen meist von männlichen Tieren. Aus Schottland gibt es mehrere Theorien, warum Delfine Schweinswale attackieren und töten. Professor Dr. Magnus Wahlberg vom Marine Biology Research Centre der Universität Süddänemark in Kerteminde erläutert: „Bei den Delfinen handelt es sich meistens um Männchen, die gegenüber Schweinswalen ein aggressives Verhalten zeigen und diese wahrscheinlich mit eigenen Jungtieren verwechseln.“

Ende vergangenen Jahres wurde auch in dänischen und deutschen Gewässern beobachtet, dass die Großen Tümmler Schweinswale rammten und aus dem Wasser hoben, wodurch diese schwer verletzt und sogar getötet werden können.

Untersuchungen des in Büsum ansässigen Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der TiHo, die im Rahmen des Totfundmonitorings (finanziert durch das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein) durchgeführt wurden, ergaben, dass sechs der Schweinswale, die in den deutschen Gebieten gefunden wurden, Rippenbrüche, innere Blutungen und Hämatome aufwiesen.

Ursula Siebert sagt: „Allerdings starben nicht alle Schweinswale, die an der deutschen Küste gefunden wurden, durch die Delfinattacken.“ Die Schweinswale reagieren offensichtlich auf die Attacken und meiden die Gewässer, in denen sich die Delfine vermehrt aufhalten. „Mehrere Beobachter, die mit Walen zu tun haben, berichteten uns davon“, so Siebert. 

Gemeinsam mit dem Marine Biology Research Centre der Universität Süddänemark in Kerteminde werden die Wissenschaftler der TiHo die Interaktionen zwischen Delfinen und Schweinswalen im Rahmen einer Masterarbeit untersuchen. Sie werden alle verfügbaren Informationen sammeln und auswerten. 

Der Große Tümmler ist in allen drei Ozeanen verbreitet. Er ist vorwiegend in tropischen Gewässern zu finden, kommt aber auch vor den Küsten Schottlands in der nördlichen Nordsee vor.

Seit einigen Jahren werden Große Tümmler immer wieder auch in der Ostsee gesichtet. Die Tiere können zwischen 1,9 und vier Meter lang werden und sind durchschnittlich zwischen 150 und 300 Kilogramm schwer.

Damit sind sie deutlich größer als die in Nord- und Ostsee beheimateten Gewöhnlichen Schweinswale (Phocoena phocoena), die maximal eine Größe von 2,5 Metern erreichen können. Sie wiegen zwischen 30 und 200 Kilogramm.


Weitere Meldungen

EU fördert Meeresforschung der TiHo; Bildquelle: ITAW

EU fördert Meeresforschung der TiHo

Forscherinnen und Forscher aus Tiermedizin, Bioakustik, Populationsbiologie, Schiffsbau und Ingenieurwesen suchen gemeinsam nach Lösungen, um Schiffslärm zu reduzieren und so Meerestiere zu schützen
Weiterlesen

Wissenschaftliche Tagung zur Gesundheit von Meeressäugern

Wissenschaftliche Tagung zur Gesundheit von Meeressäugern

Vom 21. bis 22. März 2019 ist Büsum (Schleswig-Holstein) Schauplatz einer wissenschaftlichen Tagung zur Gesundheit von Meeressäugern
Weiterlesen

Gestrandete Pottwale im Hafen von Holmer Siel auf Nordstrand; Bildquelle: Abbo van Neer

Untersuchung der Pottwalstrandungen 2016 abgeschlossen

Gründe für die Strandung von 30 Pottwalen in der Nordsee wahrscheinlich komplexes Zusammenspiel von Umweltfaktoren
Weiterlesen

Mit einem Kran wird der Pottwal auf die Plattform am Deich gehoben, auf der die Obduktionen durchgeführt wurden; Bildquelle: Sonja von Brethorst

2016 gestrandete Pottwale gehörten zwei unterschiedlichen Gruppen an

Schadstoffe und genetische Analysen verraten Herkunft und Gruppenzugehörigkeit
Weiterlesen

Schweinswal mit einem akustischen Datenlogger; Bildquelle: Universität Aarhus

Schiffsverkehr stört Schweinswale bei der Nahrungssuche

Internationales Forscherteam untersuchte das Verhalten von Schweinswalen
Weiterlesen

Für ihre Untersuchungen statteten die Forscher die Meeressäuger mit Sendern aus; Bildquelle: Monika Dyndo, Fjord & Bælt Centre

Extremes Jagdverhalten macht Schweinswale anfällig für Störungen

Internationales Wissenschaftlerteam veröffentlicht Studie über Fressgewohnheiten
Weiterlesen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden Milch im Magen des Tieres; Bildquelle: ITAW

Schwertwalstrandung auf Sylt

Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung gibt erste Ergebnisse bekannt
Weiterlesen

Deutsche Wildtier Stiftung

Wissenschafts- und Journalistenpreis für Artikel über Schweinswale in der Ostsee

Professorin Dr. Ursula Siebert hat im April gemeinsam mit Wissenschaftsjournalist Dr. Christian Jung und Diplom-Biologin Anja Gallus vom Deutschen Meeresmuseum in Stralsund den Wissenschafts- und Journalistenpreis „Hauptsache Biologie“ gewonnen.
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen