Welchen Stellenwert hat die Computertomografie in der Notfallmedizin?

(19.05.2023) In einer Notfallsituation müssen lebensrettende Maßnahmen zügig durchgeführt werden. Dazu gehört auch eine schnelle und gezielte Diagnostik für die weitere Therapie.

Unter "Notfall-CT" versteht man den generellen Einsatz eines CTs in kritischen Situationen. Der Hauptzweck besteht darin, eine schnelle Therapie- und Prognoseentscheidung zu ermöglichen bzw. eine fundierte Entscheidung zu treffen, z.B. wenn eine Euthanasie notwendig sein könnte.

In der tierärztlichen Notfallpraxis sind Ultraschall (Point-of-Care-Ultraschall mit A-FAST- und T-FAST-Protokollen) oder Röntgenaufnahmen die bevorzugten ersten diagnostischen Maßnahmen. Ein CT als präziseres Diagnoseinstrument ist oft nicht verfügbar. Ebenso ist geschultes und zugelassenes Personal nicht rund um die Uhr anwesend.


Meist ist eine zudem Anästhesie erforderlich, was das Risiko in kritischen Situationen erhöht. Kostenbeschränkungen und die Besitzercompliance könnenden Einsatz der CT in Notfallsituationen ebenso einschränken.

Wird ein Notfall-CT jedoch routinemäßig durchgeführt, ist dies schnell, zuverlässig und einfach durchzuführen und kann bei schwer traumatisierten Patienten (z. B. bei Schädel-Hirn-Traumata) die diagnostische Methode der Wahl sein. Aufgrund der zunehmenden Verfügbarkeit zeitnaher Befunde von externen Teleradiologie-Anbietern hat daher auch der Einsatz von Notfall-CTs in tierärztlichen Einrichtungen zugenommen.

Ablauf und Durchführung einer Notfall-CT-Untersuchung

Wenn kritisch kranke Patienten, wie z. B. polytraumatisierte oder Atemnot-Patienten, in der Praxis oder Klinik vorstellig werden, hat die Stabilisierung der Herz-Kreislauf- und Atemfunktionen immer Vorrang vor der weiteren Diagnostik! Liegen potenziell lebensbedrohliche Zustände wie Schock oder Hypoxie vor, müssen diese zuerst behandelt werden.

Die bildgebende Diagnostik sollte dann so früh wie möglich durchgeführt werden, wobei der Zeitpunkt stark vom Zustand und der Stabilität des Patienten abhängt.

Vorbereitung des Patienten

CT-Untersuchungen werden in der Regel unter Vollnarkose oder tiefer Sedierung durchgeführt. Daher sollten im Interesse einer optimalen Bildqualität und einer schonenden Durchführung der Untersuchung insbesondere bei Notfallpatienten koordinierte und gut geplante Untersuchungen durchgeführt werden.

Vor der Narkoseeinleitung ist der erste Schritt zur Stabilisierung immer die Senkung des ASA-Risikostatus! Die angewandten Methoden hängen von der Erkrankung ab und können Oxygenierung, Thorakozentese, Schockinfusion, Transfusion, Diuretika und selbstverständlich eine angemessene Analgesie umfassen.

Besondere Vorsicht ist bei Erkrankungen des Pleuraraums geboten, da bei Dyspnoe vor der Anästhesie immer eine Thorakozentese durchgeführt werden muss. Bei einem Pneumothorax sollte eine mechanische Beatmung möglichst vermieden werden, und Thoraxdrainagen sollten, falls erforderlich, vor oder zu Beginn der Narkose gelegt werden.

Da es sich bei den Patienten für eine Notfall-CT in der Regel um sehr kritische Patienten handelt (z. B. Schock, Anämie, Sepsis, Atemnot), ist auch das Narkoserisiko höher. Wenn Kontrastmittel verwendet wird, muss darauf geachtet werden, dass der Patient gut mit Volumen versorgt und hydriert ist. Andernfalls steigt das Risiko einer kontrastmittelinduzierten akuten Nierenschädigung. Anaphylaktische Reaktionen, die vor allem bei kardiovaskulär instabilen Patienten bedrohlich sind, sollten ebenfalls als Nebenwirkung der Kontrastmittelgabe bedacht werden. Bei kongestiver Herzinsuffizienz trägt das Volumen des Kontrastmittels oder der Spüllösung ebenfalls zu einem erhöhten intravaskulären Volumenstatus bei und kann daher Stauung und Dyspnoe verschlimmern.

Was sind die Unterschiede zwischen "CT im Wachzustand" und "CT in Narkose"?

Der Hauptvorteil der Anästhesie besteht darin, dass die Spontanbewegung des Patienten behindert wird und eine optimale Positionierung möglich ist. Bei Thorax- oder Abdomenaufnahmen ist auch ein provozierter Atemstillstand (Apnoe-Aufnahmen) möglich.

Je schwerwiegender die systemischen Veränderungen wie Hypotonie oder Dyspnoe sind, desto mehr stellen Vollnarkose, Kontrastmittelgabe und das Anhalten der Atmung ein zusätzliches Risiko für den Patienten dar, da sie sich negativ auf Blutdruck und Sauerstoffversorgung auswirken. Daher werden manchmal "wache" CT-Untersuchungen ohne Narkose durchgeführt, insbesondere bei Notfallpatienten.

Zur Durchführung von CT-Untersuchungen im Wachzustand, insbesondere bei kleinen Patienten wie Katzen oder kleinen Hunden, wird ein Katzenkorb mit Decken oder eine Kunststoffvorrichtung, die so genannte "Mouse Trap", verwendet, um das Tier zu positionieren und die Bewegung zu minimieren. Decken und anderes Polstermaterial werden verwendet, um den Patienten einzuwickeln, zu immobilisieren und zu fixieren.

Indikationen für eine CT im Wachzustand sind:

  • Hochgradig instabile Patienten, die auf eine schnelle Diagnostik angewiesen sind
  • Teilweise schwer polytraumatisierte Patienten
  • Der Patient ist komatös


In der Regel wird jedoch eine Narkose bevorzugt, wobei eine möglichst weitgehende präanästhetische Stabilisierung Voraussetzung ist.

Indikationen für ein Notfall-CT

Die Computertomografie ist anderen bildgebenden Verfahren in vielen Fällen überlegen.Im Vergleich zu Röntgenbildern erreicht die CT eine präzisere Darstellung der Körperstrukturen sowie eine bessere Übersicht als die Sonografie. Für die Beurteilung innerer Organstrukturen ist der Ultraschall besser geeignet.

Es gibt klar definierte Indikationen für ein Notfall-CT. Eine Computertomographie ist die Methode der Wahl bei:

  • Kopftrauma: intrakranielle Druckerhöhung oder Blutung, Hilfe bei der Operationsplanung, Entscheidung für oder gegen eine Dekompression
  • Der Koret CT Score (KCTS) ist ein prognostischer, CT-basierter Scoring-Index für Hunde und Katzen, der auf abnormen Befunden von CT-Scans nach traumatischen Hirnverletzungen basiert. Der KCTS kann als zusätzliches Diagnoseinstrument für die Vorhersage des Überlebens verwendet werden. Er sollte nicht allein für die Entscheidung über die Euthanasie verwendet werden. Der klinische Verlauf ist wichtiger als der Score!
  • Polytrauma: Welche Strukturen sind betroffen? Teilweise im Rahmen der Triage durchgeführt, als Wach-CT, da eine sofortige Beurteilung unerlässlich ist
  • Pulmonale Thromboembolie (CT als einzige zuverlässige Methode)
  • Pulmonallappentorsion (CT als einzige zuverlässige Methode)
  • Wirbelsäulentrauma
  • Pfählung, Bissverletzungen: Beurteilung des Ausmaßes, Erkennen der beteiligten Strukturen und Operationsplanung
  • Fremdkörpersuche, z.B. bei Stichverletzungen
  • Abklärung von (unklarer) Atemnot - Eine Sauerstoffzufuhr ist immer notwendig und die Option der Wach-CT ist bei Atemnot aufgrund von Atembewegungs-Artefakten kaum geeignet. Daher sollte während und nach der CT die Option einer mechanischen Beatmung oder einer intensiven Sauerstofftherapie gegeben sein.


Weitere Indikationen für ein Notfall-CT können sein:

Neurologische Erkrankungen:

  • ähmungen (z. B. Abklärung einer Diskopathie)
  • Wirbelbrüche: Erkennung und Beurteilung des Ausmaßes und Planung einer Operation
  • Anfallsleiden (z.Paresen, LB. Cluster-Anfälle)
  • Hirnhautentzündung


Obwohl die Magnetresonanztomografie der Goldstandard für Weichteilveränderungen im Gehirn ist, wird aus Mangel an Verfügbarkeit oder aus Zeitgründen oft eine Computertomografie bevorzugt.

Abdomen:

  • Metastasenscreening bei Patienten mit Neoplasien (z. B. Milz- oder Lebertumor)
  • Untersuchung von septischen Patienten, Screening auf Sepsisursachen und Bewertung des Ausmaßes oder der Abgrenzung signifikanter Veränderungen
  • Diagnostische Abklärung von Uroabdomen
  • Retroperitoneale Prozesse


Retrobulbäre Fremdkörper:

  • Die Beurteilung der tieferen Strukturen und der Ausdehnung ist in der Sonografie oft schwieriger, während das Screening von Fremdkörpern in der CT oft einfacher ist

Schlussfolgerungen

  • Verlassen Sie sich in erster Linie auf die klinische Untersuchung und die Point-of-Care-Ultraschall- und Röntgenaufnahmen.
  • Entscheiden Sie sich nicht für eine computertomografische Untersuchung, nur weil es möglich ist.
  • Die CT sollte spezifische Fragen beantworten und nicht nach dem Motto "mal sehen, was wir finden" durchgeführt werden. Scannen Sie die gesamte Region, die von Interesse ist, aber führen Sie nicht grundsätzlich Ganzkörper-CTs durch. Bei einer Notfall-CT geht es darum, sich auf das Wesentliche zu beschränken und die Anästhesiezeit so kurz wie nötig zu halten.
  • Eine übereilte Anästhesie ohne ausreichende vorherige Stabilisierung sollte vermieden werden, da dies zu schweren Komplikationen und im schlimmsten Fall das Leben des Patienten kosten kann.
  • Die computertomografische Untersuchung kann umfassendere Informationen liefern. Sie kann auch dazu beitragen, das Risiko von übersehenen Verletzungen zu verringern!


Unser besonderer Dank gilt Dr. ECVECC/ECVAA René Dörfelt für seine wissenschaftliche Unterstützung bei der Erstellung dieses Artikels!

Quellen und Links:


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