6. Experten-Roundtable von Bayer zu Strategien gegen Antibiotikaresistenzen

(26.09.2012) "Strategien gegen Antibiotikaresistenzen: Wirkung mit Nebenwirkungen" lautete das Thema des 6. Experten-Roundtables, zu dem Thomas Steffens, Leiter der Division Tiergesundheit von Bayer HealthCare Deutschland Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verbänden und Behörden begrüßen konnte.

Unter der Leitung von Professor Dr. Johanna Fink-Gremmels, Universität Utrecht, diskutierten die über 80 Teilnehmer engagiert und konstruktiv über Maßnahmen, wie die Wirksamkeit von Antibiotika dauerhaft für die Therapie von bakteriellen Infektionen erhalten werden kann.

Große Verantwortung für alle Beteiligten: die 16. AMG-Novelle

Dr. Undine Buettner-Peter, zuständige Referatsleiterin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), stellte zu Beginn den aktuellen Stand des Gesetzesvorhaben dar, mit dem zusätzliche Ermächtigungen für Regelungen zum Antibiotikaeinsatz bei Tieren geschaffen werden sollen (16. AMG-Novelle). Der Gesetzentwurf soll im Herbst im parlamentarischen Verfahren zwischen Bundestag und Bundesrat beraten werden.

"Kernstück der 16. AMG-Novelle ist ein betriebliches Antibiotikaminimierungskonzept", erklärte Dr. Undine Buettner-Peter. Dieses Konzept wende sich gleichermaßen an Tierhalter, Tierärzte und die Überwachung.

Nach den derzeitigen Vorstellungen sollen Tierhalter, die Lebensmittel liefernde Tiere zu Zwecken der Mast halten, verpflichtet werden, der zuständigen Behörde Daten über die Antibiotikaanwendung mitzuteilen, aus der die betriebsindividuelle Therapiehäufigkeit ermittelt wird.

Entsprechende Durchschnittswerte auf Bundesebene sollen dem Halter für die jeweilige Tierart als Benchmark dienen. Falls der betriebsindividuelle Einsatz höher liege als diese Vergleichswerte, müssten die Betriebe Maßnahmenpläne zu Antibiotikareduzierung ergreifen, auf die die zuständige Behörde Einfluss nehmen könne und deren Umsetzung sie kontrollieren müsse.

Für Tierärzte, so Buettner-Peter, bringe die Novellierung des AMG eine stärkere Einbindung, aber auch große Verantwortung mit sich. Sollte das Gemeinwohl es erfordern, so die Referatsleiterin, könne die Therapiefreiheit per Verordnung eingeschränkt werden: "Für den Tierarzt bedeutet die Novelle eine striktere Bindung an die Antibiotikaleitlinen."

Bisher seien die Entscheidungen der Tierärzte kaum kontrollierbar gewesen, deshalb würden in der AMG-Novelle weitreichende Ermächtigungen gemacht. So könne der Tierarzt nach Inkrafttreten der Gesetzesnovelle per Verordnung verpflichtet werden, ein Antibiogramm zu erstellen, wenn der Wirkstoff gewechselt oder wiederholt angewendet wird. In die gleiche Richtung ziele auch eine Ermächtigung, mit der die Umwidmung von Antibiotika eingeschränkt werden soll.

"Innovation muss sich lohnen, sonst wird Innovation nicht stattfinden"

unterstrich Professor Dr. Michael Londershausen, Leiter des Ressorts Entwicklung der global agierenden Division Animal Health von Bayer HealthCare, und forderte bessere Rahmenbedingungen für die forschenden Tierarzneimittelhersteller.

Um heute und in Zukunft wirksame Antibiotikatherapien zu ermöglichen, sei eine konzertierte Aktion von Tierhaltern, Tierärzten, Industrie, Gesetzgeber und Überwachung erforderlich. Tierhalter seien gefordert, durch ständige Optimierung ihres Betriebsmanagements einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von bakteriellen Infektionen und damit des Antibiotikaeinsatzes zu leisten.

Im Mittelpunkt der Anstrengungen sieht Londershausen die Tierärzte, die im Rahmen von Behandlungen eine medizinisch sinnvolle Auswahl des Antibiotikums vornehmen müssten.

Tierärzte seinen dafür gut ausgebildet, Ihnen müssten aber auch wirksame Produkte zu Verfügung stehen. "Auf keinen Fall darf das im Vergleich zur Humanmedizin ohnehin begrenzte Antibiotikarepertoire in der Veterinärmedizin nicht auch noch unnötig eingeschränkt werden. Denn der Resistenzdruck steigt je weniger verschiedene Antibiotika zur Verfügung stehen" so der Entwicklungsleiter.

Bayer unterstütze die zunehmenden Anforderungen in der Zulassung, solange sie fachlich sinnvoll sind. Er betonte aber zugleich, dass die forschenden Pharmaunternehmen mehr Zeit bräuchten, bevor Generikahersteller Nachahmerprodukte auf den Markt bringen können.

Am Beispiel der Humanmedizin, wo die meisten Firmen bereits aus der Antibiotikaforschung ausgestiegen sind, machte Londershausen deutlich, dass die Forschungsanstrengungen im Bereich der Antibiotika zwangsläufig abnähmen, wenn kein ausreichender Datenschutz gewährleistet wird.

Im Rahmen der anstehenden Überarbeitung der europäischen Gesetzgebung für Tierarzneimittel sei deshalb eine Datenschutzverlängerung äußerst wichtig, um den zunehmenden Auflagen und wesentlich verlängerten Entwicklungszeiten gerecht zu werden.

Londershausen betonte, dass das Primat der Zulassung durch die 16. AMG-Novelle nicht aufgeweicht werden dürfe. "Bei Investitionen von mehr als 60 Mio € für die Überprüfung von Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit eines neuen Antibiotikums ist die Industrie auch auf verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen für die Vermarktungsphase nach der Zulassung angewiesen." betonte Londershausen.

"Erst Diagnose, dann Antibiose"

forderte Dr. Rainer Schneichel, Vizepräsident des Bundesverbands praktizierender Tierärzte (bpt), und betonte zugleich, dass der komplexen Resistenzthematik nur mit Sachverstand und fachlicher Kompetenz begegnet werden könne.

Dabei sei die Labordiagnostik zur Identifizierung der Leitkeime und zur Feststellung möglicher Resistenzen zukunftsweisend. Allerdings, räumte Schneichel ein, könnten die Epidemiologie, der Immunstatus der Tiere sowie die klinischen Untersuchungen und Erfahrungen des Tierarztes damit nicht ersetzt werden.

Zurzeit bestehe noch Verbesserungspotenzial, dass es in enger Abstimmung zwischen Forschung, Praxis und Untersuchungsinstituten schnell aufzuarbeiten gelte. So unterscheiden sich häufig in vivo- von in vitro-Ergebnissen.

"Der therapeutische Erfolg widerspricht oft den Laborergebnissen", betonte Schneichel, "hier brauchen wir für die Praxis besser nutzbare Ergebnisse, bevor eine Vorgehensweise per Verordnung auferlegt wird, die uns in der Praxis nicht nütze."

So sei bei bestimmten Erregern, wie Haemophilus parasuis, die Identifizierung des Keims und ein Antibiogramm nur sehr schwer möglich, sagte Schneichel und stellte einen großen Forschungsbedarf hinsichtlich geeigneter Diagnostikverfahren fest. Bei komplexen Krankheitsgeschehen wie der Rindergrippe gebe es oft auch keine klaren Aussagen.

Problematisch sei auch die zeitliche Verfügbarkeit vieler Labore. "Vor dem Hintergrund von Antibiotikaresistenzen ist es sehr wichtig, dass die Ergebnisse der Resistenztests frühzeitig vorliegen", betonte Schneichel.

Eine zeitnahe Vorgehensweise sei ansonsten kaum möglich. In der Praxis könne das durchaus bedeuten, dass der Tierarzt auf diese Weise mit den Antibiotikaleitlinien kollidiere.

Die Standards sind gut, weitere Optimierungen notwendig

Eine umfassende Prozess- und Herkunftssicherung von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zur Vermarktung - so formuliert Dipl.-Ing. agr. Brigitte Wenzel vom Deutschen Bauernverband das Ziel der QS-Datenbankbetreiber.

Alle Landwirte hätten ein ehrliches Interesse an Transparenz und daran, ihr Betriebsmanagement zu optimieren. Die Diskussion um Antibiotikaresistenzen habe den Einsatz von Antibiotika bei Lebensmittel liefernden Tieren in Misskredit gebracht.

Dabei sei der Landwirt nicht nur verpflichtet, sein Eigentum zu schützen und kranke Tiere aus Tierschutzgründen behandeln zu lassen. Er müsse auch dafür Sorge tragen, dass gesunde Tiere qualitativ hochwertige Lebensmittel lieferten.

Über die QS Qualität und Sicherheit GmbH hat die Geflügelwirtschaft zum 1. April 2012 ein Antibiotikamonitoring umgesetzt. Kernstück ist eine zentrale Datenbank, in der alle Antibiotikaverschreibungen in den Geflügel haltenden Betrieben erfasst werden. Seit dem 1. September 2012 erstreckt sich das Monitoring auch auf Schweinemastbetriebe.

"Wir brauchen genaue Informationen, um den Einsatz von Antibiotika auf der einzelbetrieblichen Ebene nicht einfach zu reduzieren, sondern zu optimieren. Dies kann nur in enger Zusammenarbeit mit Tierarzt und Tierhalter geschehen", führte Wenzel aus.

"Alle Interessengruppen engagieren sich, denn nur zusammen können wir eine stufenübergreifende Qualitätssicherung leisten", betonte Wenzel. Die Landwirtschaft sei froh, verlässliche Daten über die Ist-Situation zu erhalten. "Auf dieser Grundlage müssen jetzt die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden", sagte Wenzel. "Doppel- und Dreifachmeldungen sollten hingegen vermieden werden" betonte sie.

Erfolgreiches Beratungssystem lässt von gesunden Tieren auf gesunde Lebensmittel schließen
Ein Pilotprojekt, das die Tiergesundheit und damit auch die Qualität der Schweinefleischerzeugung verbessert, ist in Nordrhein-Westfalen erfolgreich gestartet. Wichtiges Werkzeug sei eine zentrale Datenbank, die eine stufenübergreifende Information für alle Beteiligten sichert, erklärte Dr. Bernhard Schlindwein vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV).

Anhand von Checklisten wird zunächst der Hygienestatus vor Ort untersucht und die Betriebe werden kategorisiert. Anschließend wird mithilfe von Blut- und Kotproben der Tiergesundheitsstatus erhoben. Parallel erhalten die Tiere Ohrmarken.

So wird die Voraussetzung geschaffen, um die gleichen Tiere noch zweimal im Mastdurchgang untersuchen zu können. "Die Tierärzte vor Ort sind der Schlüssel zum Erfolg", steht für Schlindwein außer Frage.

Ein Abholservice der Tierseuchenkasse ermöglicht schnell und unbürokratisch Sektionen von erkrankten Tieren sowie bakteriologische Untersuchungen. Informationen über die Haltungsbedingungen vor Ort, zum Beispiel mithilfe von Klimamessungen und Lüftungsüberprüfungen, runden das Profil ab.

"Wir erhalten Kenntnis von Status- und Verlaufsuntersuchungen, können Impfkonzepte anpassen und verbrauchen insgesamt weniger Medikamente", bilanzierte Schlindwein zufrieden.

In der lebhaften Diskussion, die von Professor Fink-Gremmels souverän moderiert wurde, wurde von allen Seiten ein hohes Verantwortungsbewusstsein deutlich und das Interesse, unnötigen Antibiotikaeinsatz sowie die Ausbreitung resistenter Erreger zu vermeiden. Nicht die Frage "ob?", so Prof. Fink-Gremmels, sondern "was können wir tun?", prägte die konstruktive Haltung des 6.Experten-Roundtable.

Professor Fink-Gremmels ermunterte dazu, nicht in Aktionismus zu verfallen, sondern klar zu kommunizieren, was fachlich möglich und sinnvoll ist.




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