TVT lehnt Lokalanästhesie als Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration ab

(26.06.2017) Jungebermast mit Impfung gegen Ebergeruch ist aus Sicht der Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz die beste Alternative

Ab 2019 wird das betäubungslose Kastrieren von Schweinen verboten sein. Als Alternative wurden bisher drei Möglichkeiten diskutiert: Die Durchführung einer Narkose vor der Kastration, die Jungebermast ohne Kastration sowie die Jungebermast ohne Kastration, aber mit Impfung gegen den Ebergeruch.

TVT

Neuerdings spricht sich der Bundeslandwirtschaftsminister zusätzlich für einen sogenannten „vierten Weg“ aus: Die Lokalanästhesie, die auch die Tierhalter selbst vor der Kastration durchführen können.

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz lehnt diesen vierten Weg aus Tierschutzgründen ab.

Der Vorsitzende der TVT, Prof. Thomas Blaha, erklärt: "Die Verabreichung einer Lokalanästhesie in diesem sensiblen Bereich ist für die Tiere hochgradig schmerzhaft, die Tiere sind durch die Fixation und die Injektion selbst gestresst und der Schmerz wird nicht unbedingt komplett ausgeschaltet. Darüber hinaus können vermehrt Wundheilungsstörungen auftreten.

Nicht zuletzt wird den Tieren ihre körperliche Unversehrtheit genommen. Die Kastration unter Lokalanästhesie, teilweise durchgeführt von Laien, die sicherlich nicht immer die richtige Stelle für die Injektion treffen, ist für uns deshalb keine sinnvolle Alternative".

Die TVT spricht sich deshalb nach wie vor für die Jungebermast mit Impfung (Improvac) aus: Hier werden den Tieren spezielle Antigene gespritzt. Diese stimulieren das Immunsystem zur Produktion von Antikörpern gegen die Geschlechtshormone, die den Ebergeruch verursachen.

Nach zweimaliger Impfung werden dadurch die Hodenfunktion und damit die Androstenon- und indirekt auch die für den Ebergeruch verantwortliche Skatolproduktion unterdrückt.

Zusätzlich reduziert sich auch das typische Eberverhalten, nämlich der Drang zu Rangkämpfen, der bei nicht geimpften Ebern vielfach zu Verletzungen führt.

Zwei Injektionen mehr sind im Lichte der ohnehin zahlreichen Impfungen, die den Tieren im Interesse der Gesunderhaltung zugemutet werden, nur eine geringe zusätzliche Belastung, so die TVT, insbesondere wenn man die Nachteile in Erwägung zieht, denen die Tiere bei Verzicht auf die Impfung ausgesetzt sind.

Denn bei der Kastration nach vorheriger Narkose und/oder Betäubung bezahlt das Tier den höchsten Preis auch bei zusätzlicher Schmerzmittelanwendung zur Eindämmung des postoperativen Schmerzes: Das Handling bis zur Narkose erzeugt Angst und einen sehr hohen Stresslevel und dem Tier wird seine körperliche Unversehrtheit genommen.

Bei der Jungebermast ohne Impfung bezahlt das Tier einen hohen Preis: Für Tiere aus der Ebermast zeigen vergleichende Untersuchungen am Schlachthof, dass unkastrierte männliche Schweine signifikant mehr Hautverletzungen (durch Rangkämpfe im Bestand, auf dem Transport und im Wartestall des Schlachthofs) und viele Tiere Bissverletzungen im Penisbereich aufweisen.

Obwohl die Impfung aus Tierschutzsicht mit Abstand die sinnvollste Alternative zur Kastration ist, wird diese von Schweinemästern abgelehnt, da sie sich Sorgen über den Arbeitsaufwand und die Kosten der Impfung machen.

Der Einzelhandel befürchtet die Ablehnung des Fleisches von geimpften Tieren durch die Verbraucher.

Die TVT weist aber darauf hin, dass in Australien und Neuseeland seit vielen Jahren ausschließlich die Impfung männlicher Ferkel gegen den Ebergeruch praktiziert wird, in Europa in Belgien auch bei gut 40%.

Die Sorgen der Mäster können durch finanzielle Umverteilung in der Produktionskette genommen werden. Der Einzelhandel hingegen könnte durch kluge Bewerbung eines „tierschutzgerechteren“ (und damit höherwertigen) Schweinefleisches die Verbraucher überzeugen.

Die TVT appelliert deshalb an den Einzelhandel, bei „ethisch sensiblen“ Produkten wie Fleisch auf den üblichen preistreibenden Wettbewerb untereinander zu verzichten.

Im Interesse einer gesellschaftlich akzeptierbaren Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft sollte zu einem vereinbarten Termin gleichzeitig die Bewerbung des „tierschutzgerechteren" und gesundheitlich unbedenklichen Fleisches geimpfter Ferkel beginnen.



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