TVT fordert mehr Tierwohl für landwirtschaftliche Nutztiere

(24.06.2020) Schnellstmöglicher Ausstieg aus der Haltung von Sauen in Kastenständen, sofortige Einführung eines Tierwohl-Monitorings sowie die Umsetzung des Borchert-Konzeptes

Das Tierwohl bei Nutztieren wird aktuell auf unterschiedlichen politischen Ebenen diskutiert: Im Bundesrat wird über die umstrittene Haltung von Sauen in Kastenständen abgestimmt.

Mit dem Bericht des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung wurde bereits ein umfassendes Konzept zur Verbesserung des Tierwohls vorgelegt und der Deutsche Ethikrat hat ganz aktuell u. a. die Lebensbedingungen der Nutztiere in Deutschland kritisiert.

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz begrüßt die Ausführungen des Ethikrates und fordert die Bundesregierung auf, das Konzept des Kompetenznetzwerkes kurzfristig umzusetzen und in diesem Zusammenhang einen vollkommenen Verzicht auf die Haltung von Sauen in Kastenständen sowie ein sofort einzuführendes Gesundheitsmonitoring in das vorliegende Konzept zur Transformation der Nutztierhaltung zu integrieren.

TVT

Der deutsche Ethikrat hat am 16. Juni 2020 in seiner Stellungnahme erhebliche Reformen gefordert, um künftig Mindeststandards eines akzeptablen Umgangs mit Nutztieren zu erreichen. Denn unter den derzeit rechtlich normierten Bedingungen in der Zucht,  Haltung und bei der Schlachtung werden den Tieren, auch durch den wirtschaftlichen Druck, überwiegend vermeidbare Schmerzen und Leiden zugefügt.

Schon im Februar hatte das von Bundesminister a. D. Jochen Borchert geleitete „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ dem BMEL ein Konzept vorgelegt, mit dem die Nutztierhaltung in Deutschland in die Lage versetzt werden soll, den fachlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen an den Tier- und Umweltschutz zu entsprechen und trotzdem weiter wettbewerbsfähig zu bleiben, da die aktuelle Situation gesellschaftlich immer weniger akzeptiert wird.

Mit Zeitplan und Finanzierungskonzept wurde damit ein umfassendes, umsetzbares Konzept erarbeitet, mit dem den systematischen Mängeln der intensiven Tierhaltung, etwa den Einschränkungen des natürlichen Verhaltensrepertoires der Tiere, begegnet werden kann.

Zeitgleich debattiert der Bundesrat darüber, inwieweit die umstrittene Haltung von Sauen in Kastenständen mit verkürzter Aufenthaltsdauer der Tiere und Verbreiterung der Stände, über weitere Jahre fortgeführt werden soll. Für die TVT ist dies nicht akzeptabel, denn die Haltung von Sauen ist bei allen Bestandsgrößen ohne den Kastenstand möglich.

So sind in Skandinavien beispielsweise die Gruppenhaltung von Sauen und die freie Abferkelung ohne Fixierung der Sau schon gesetzlich vorgeschrieben. Auch in Deutschland setzen Sauenhalter bereits auf die „kastenstandlose“ Haltung.

Die TVT hat schon 2018 in Ihrem Merkblatt „Eckpunkte einer tiergerechten Sauenhaltung“ (Merkblatt 95) Möglichkeiten einer praxistauglichen und tiergerechten Gruppenhaltung aufgezeigt.

Es stehen also bereits Haltungssysteme ohne die zwangsweise Haltung im Kastenstand praxisreif zur Verfügung. Die Bereitschaft zu einem Umdenken und Umgestalten ist in der Landwirtschaft vorhanden. Jetzt ist die Politik gefordert hierfür die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, in dem für die erforderlichen Umbaumaßnahmen die dafür notwendige Planungssicherheit geschaffen wird und geeignete Fördermaßnahmen für die Umstrukturierung eingerichtet werden.

„Wenn der Bundesrat jetzt für eine wie auch immer variierte Verlängerung der Kastenstandhaltung stimmt, wird damit diese tierschutzwidrige Haltungsform über viele Jahre fortgesetzt und dies widerspricht sowohl den Empfehlungen des Ethikrates als auch denen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung“, so Prof. Dr. Thomas Blaha, stellvertretender Vorsitzender der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V.

Benötigt wird laut TVT nun ein Umsetzungskonzept und der Wille aller Akteure, dieses dann auch unverzüglich in Angriff zu nehmen. Dafür ist das „Borchert-Papier“ als Grundlage hervorragend geeignet, so Blaha. Allerdings muss hier noch der Verzicht auf den Kastenstand mit aufgenommen werden. Damit könne man den systembedingten Tierschutzverstößen bei Nutztieren sinnvoll begegnen.

Als weiteres Problem sieht die TVT die immer wieder, unabhängig von den Haltungsbedingungen auftretenden Mängel und Defizite in der Tierbetreuung und Gesundheitsvorsorge in einzelnen Betrieben. Diese werden in den Empfehlungen des Kompetenznetzwerkes Nutztiere nicht ausreichend berücksichtigt. Betreuungsmängel können nämlich in allen Haltungsformen, auch in ökologischen und alternativen Haltungen, vorkommen und sind meist durch Managementfehler und oder menschliches Fehlverhalten verursacht.

 Um Tierleid zu vermeiden müssen also auch Betreuungsmängel in den Betrieben frühzeitig identifiziert werden. Hierfür bietet sich ein nationales Tiergesundheits- und Tierwohl-Monitoring an, für das die erforderlichen Daten bereits vorhanden sind. Durch das Monitoring kann bei Auffälligkeiten durch eine qualifizierte fachliche Beratung das Tierwohl in suboptimal arbeitenden Betrieben Schritt für Schritt verbessert werden. Bei permanenten Mängeln oder Uneinsichtigkeit kann durch eine risikoorientierte amtliche Überwachung und ggf. einhergehenden Sanktionierungen für Abhilfe gesorgt werden.

„Ein solches Monitoring, kann in kürzester Zeit und mit einem vergleichsweise geringen Investitionsaufwand aufgebaut werden. Anhand der z. B. in den Tierbeständen und an den Schlachthöfen sowie in den Tierkörperbeseitigungsanlagen erhobenen Tiergesundheits- und Tierwohlindikatoren können Betreuungsmängel einzelner Betriebe fortlaufend erfasst werden. Damit bieten sie die Grundlage für eine fachliche Beratung bereits im Falle sich ankündigender tierschutzrelevanter Managementfehler und für zielgerichtete amtliche Kontrollen“, sagt Thomas Blaha.

Die TVT fordert daher die schrittweise völlige Abschaffung der Kastenstände in der Sauenhaltung sowie ein Tiergesundheits-Monitoring in die Umsetzung des „Borchert-Papiers“ zu integrieren. Die Bundesregierung sollte dieses umfassende Konzept schnellstmöglich in nationales Recht umsetzen und so die Voraussetzung für eine Realisierung der angestrebten Transformation der Nutztierhaltung in der Praxis schaffen.


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