Stellungnahme der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz zu ASP und Wildschweinjagd

(15.02.2018) Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.: Afrikanische Schweinepest darf nicht Ausrede sein, Gebote des Tierschutzes und der Waidgerechtigkeit bei der Wildschweinjagd zu missachten

Die in Deutschlands Nachbarländern aufgetretene Afrikanische Schweinepest (ASP) und deren Eindämmung ruft derzeit intensive Diskussionen hervor. Dabei wird der freilebenden Wildschweinpopulation eine wichtige Rolle als Eintrittspforte und Reservoir der Erkrankung in Deutschland zugeschrieben.

Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz

Deshalb wird von verschiedener Seite eine verschärfte Bejagung der Wildschweine gefordert. Dabei werden Jagdmethoden diskutiert, die aus Sicht des Tierschutzes abzulehnen sind.

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz nimmt dazu Stellung:

  • Tierschutz ist unteilbar! Das gilt für Wildschweine genauso wie für Hausschweine, die in der Systematik des Tierschutzgesetzes als Warmblüter einen hohen Schutz genießen.
  • Die Afrikanische Schweinepest ist eine Viruserkrankung, die bis jetzt nicht in Deutschland vorkommt. Sie hat bei Schweinen eine hohe Sterblichkeitsrate zur Folge, wohingegen der Mensch für die Krankheit nicht empfänglich ist. Seit einiger Zeit breitet sich die ASP vom Baltikum kommend in Richtung Westen aus und wurde nun durch infizierte Lebensmittel aus der Ukraine nach Tschechien getragen. Es ist zu befürchten, dass die Seuche bald auch in Deutschland Schweinebestände infiziert, was erhebliche Folgen hätte in puncto Tierschutz und Tierseuchenbekämpfung. Sie würde auch große wirtschaftliche Schäden nach sich ziehen.
  • Große Strecken in kurzer Zeit kann das Virus überwinden, wenn weggeworfene Lebensmittel, die von infizierten Tieren gewonnen worden waren, von Wildschweinen gefressen werden. Aus diesem Grund sind in den letzten Wochen an Autobahn-Rastplätzen Hinweistafeln aufgestellt worden, die Reisende eindringlich auf die Gefahr von weggeworfenen Lebensmitteln als Infektionsquelle für umherziehendes Schwarzwild klarmachen sollen. Eine wildschweinedichte Einzäunung von Rastplätzen an Autobahnen könnte die Wahrscheinlichkeit eines Eintrags verringern.
  • Da Wildschweine überwiegend territorial sind und infizierte Tiere vor ihrem Tod keine großen Strecken mehr zurücklegen, breitet sich die Seuche nur langsam in der Population aus. Deshalb ist bei jagdlichen Maßnahmen darauf zu achten, dass keine großräumige Zerstreuung der Rotten erfolgt, etwa durch ungünstig durchgeführte Bewegungsjagden und/oder Abschuss führender Bachen.
  • Einen guten Schutz der Hausschweinebestände bieten Hygienemaßnahmen, die in der Schweinehaltung gesetzlich vorgeschrieben sind.
  • Auf lange Sicht ist ein Schutz der Hausschweinebestände nur durch einen wirkungsvollen Impfstoff zu gewährleisten, der auch eine Unterscheidung feldvirusinfizierter Tiere von geimpften erlaubt. Die entsprechende Forschung sollte intensiviert werden und es ist darauf hinzuwirken, das EU-Wirtschaftsrecht entsprechend anzupassen.
  • Ein großflächiger Mais- und Rapsanbau bietet viel Nahrung und erschwert die Jagd durch hervorragende Deckungsmöglichkeiten, das fördert eine hohe Wildschweinpopulation. Zur Bejagung sollten mindestens entsprechende Schneisen vorgesehen werden, die auch als Blühstreifen für den Naturschutz positiv zu werten sind.
  • Eine Reduktion der Wildschweinpopulation in der gesamten Bundesrepublik Deutschland um 70% des derzeitigen Wertes, wie politisch gefordert, wird die Einschleppung des Virus der ASP nicht verhindern können Zur Verhinderung der Einschleppung sind vor allem hygienische Maßnahmen im grenzüberschreitenden Personenverkehr nötig.
  • Wildschweine unterliegen sowohl dem Jagdrecht, als auch dem Tierschutzrecht. Beide Rechtsgebiete verlangen bei der Tötung von Tieren ein möglichst schonendes Vorgehen und die Vermeidung etwaiger Schmerzen, Leiden oder Schäden auch bei anderen als den bejagten Tieren, hier insbesondere der vom Muttertier abhängigen Frischlinge. Eine Aufhebung der Schonzeit für Bachen mit abhängigen Frischlingen ist aus der Sicht des Tierschutzes abzulehnen und aus der Sicht der Tierseuchenbekämpfung kontraproduktiv, da die Frischlinge ohne Führung oft weite Strecken zurücklegen. Als führend ist die Bache mindestens bis zum vierten Lebensmonat der Frischlinge anzusehen, denn so lange verteidigt sie ihre Frischlinge gegen andere Rottenmitglieder.
  • Stationäre Saufänge sind in der Effektivität weit hinter den Erwartungen zurück geblieben. Mobile Fallen für einzelne Wildschweine führen bei den gefangenen Tieren zu Panik, was tierschutzwidrig ist.
  • Ein Vergiften von Wild oder eine medikamentelle Fruchtbarkeitskontrolle sind verboten und müssen verboten bleiben, da von derartigen Maßnahmen Schmerzen, Leiden und Schäden für die Zieltierart, insbesondere aber auch für viele andere Tierarten ausgehen, die ebenfalls die Köder fressen.
  • Lediglich im Falle des nachgewiesenen Ausbruchs der Seuche bei Wildschweinen in einem abgrenzbaren kleinen Gebiet kann ein Totalabschuss aller Wildschweine angezeigt sein, dann ist aber durch vorhergehendes sicheres Einzäunen und durch sehr rasches Handeln dafür zu sorgen, dass keine abhängigen Frischlinge durch Verhungern oder Erfrieren tierschutzwidrig zu Tode kommen oder ggfs. versprengte Tiere die Seuche weitertragen.

Fazit: bei der Jagd auf Wildschweine müssen alle tangierenden Rechtsvorschriften (Jagdrecht, Tierschutzrecht, Natur-und Artenschutzrecht, Tierseuchenrecht) beachtet werden.

Die ASP darf nicht als Ausrede dafür dienen alle Gebote des Tierschutzes und der Waidgerechtigkeit zu missachten.


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