Antibiotika-Verbot versus Tierschutz: TVT fordert sinnvollere Maßnahmen, um Resistenzen und Tierhaltungsmängel zu beseitigen

(30.08.2021) Aktuell wird ein Antrag diskutiert, die von der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA)  und anderen wissenschaftlichen Institutionen vorgesehene Verordnung für Tierarzneimittel wesentlich zu verschärfen und die meisten der jetzt für Tiere zugelassenen Antibiotika für deren Behandlung zu verbieten.

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) unterstützt die Zielrichtung des Antrags, nämlich Antibiotika-Resistenzen zu vermeiden und tierschutzwidrige Praktiken in der Nutztierhaltung zu unterbinden.

Allerdings sei die Einschränkung der Behandlungsmöglichkeiten für Nutz-, Haus- und Heimtiere dafür keineswegs zielführend. „Tieren eine notwendige antibiotische Behandlung zu verweigern ist tierschutzwidrig!

Ein Verbot dieser Behandlungen trägt kaum dazu bei, Antibiotikaresistenzen zu vermeiden oder das Tierwohl bei Nutztieren zu verbessern. Hier sind in den jeweiligen Themenbereichen eigene Strategien zu verfolgen.“, so Dr. Andreas Franzky, Vorsitzender der TVT.

Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.

Deshalb unterstützt die TVT, ebenso wie der Deutsche Tierschutzbund, die Initiativen  der Bundestierärztekammer (BTK) und des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (bpt), die sich gegen das Verbot aussprechen.

Am 28. Januar 2022 tritt die Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel in Kraft. Im Zusammenhang mit dieser Verordnung muss eine Reihe weiterer, sog. delegierter Verordnungen erlassen werden.

Eine dieser Verordnungen regelt, welche Antibiotika zukünftig der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben. Die von der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA)  und anderen wissenschaftlichen Institutionen vorgesehene Verordnung sieht auch weiterhin die Möglichkeit vor, Tiere verantwortungsvoll und wirksam zu behandeln.

Nun hat  Martin Häusling, Abgeordneter im Europaparlament und Mitglied im EU-Agrarausschuss  einen Antrag in das Europaparlament eingebracht, diese Verordnung wesentlich zu verschärfen und die überwiegende Mehrheit der jetzt für Tiere zugelassenen Antibiotika zu verbieten.

Dieses hätte weitreichende Folgen für die antibiotisch Behandlung  erkrankter Tiere. Durch das Verbot sollen laut Häusling  die Entstehung von Antibiotikaresistenzen beim Menschen eingedämmt und tierschutzwidrige Praktiken in der Nutztierhaltung, beendet werden können. Die TVT unterstützt diese Ziele,  diese sind allerdings über ein Behandlungsverbot absolut nicht zu erreichen.

Die Argumentation, dass die Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung die Resistenzen bei den Menschen fördert, ist nur bedingt richtig. Nur ein sehr geringer Prozentsatz der beim Tier auftretenden  Resistenzen geht auf den Menschen über und betrifft in erster Linie Landwirte und Tierärzte.

Der allergrößte Teil der beim Menschen auftretenden  Resistenzen – wie zum Beispiel multiresistente Krankenhauskeime – werden von diesen selbst produziert. Gleichwohl ist es wichtig, im Sinne des One-Health-Ansatzes sowohl in der Tiermedizin als auch in der Humanmedizin für einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika und eine Verringerung des Einsatzes von Antibiotika zu sorgen.

In der Tiermedizin wird dieses schon seit 2011 durch verschiedene Maßnahmen umgesetzt, so dass sich der Verbrauch an antibiotischen Wirkstoffen seitdem um mehr als 50 % verringert hat. So lag im Jahr 2020 der Antibiotikaverbrauch in der Tiermedizin erstmalig unter dem in der Humanmedizin.

Für eine weitere Senkung des Antibiotikaeinsatzes ist es notwendig, das Tierwohl bei der Tierhaltung  und der Tierzucht, insbesondere beim Geflügel, deutlich  zu verbessern. Gut gehaltene Tiere, bei deren Zucht keine extremen Leistungen, sondern eine stabile Gesundheit in Vordergrund stehen, werden weit seltener antibiotisch behandelt als Tiere, deren natürlichen Anpassungsfähigkeiten durch extreme Zuchtziele  und eine defizitäre Haltung überfordert werden.  Dem  muss durch strengere gesetzliche Regelungen in der Tierhaltung und der Tierzucht entgegengewirkt werden.

Bereits jetzt gibt es gesetzliche nationale Regelungen, die den Einsatz von Reserveantibiotika im Tierbereich weitgehend einschränken.

Dieses betrifft die Cephalosporine der 3. und 4. Generation und die Fluorchinolone. Die oft angeführten Carbapeneme finden in der Tiermedizin gar keine Anwendung.

Die TVT fordert eine sachliche Diskussion fern von gegenseitigen polemischen Vorwürfen.  So muss im Sinne des One-Health-Gedankens ein verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika gefördert werden und der Einsatz sowohl im Tier- als auch im Humanbereich weiter verringert werden.

Bei der Nutztierhaltung sind die rechtlich Anforderungen an die Zucht und Haltung deutlich zu verbessern, damit Gesundheit und Wohlbefinden den Einsatz von Antibiotika überflüssig machen.

Die Resolution des Herrn Häusling ist nicht geeignet, diese Ziele zu verfolgen.  



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