Moderne Tiermedizin für Kaninchen: Empfindlichen Verdauungstrakt im Blick behalten
Blutbild, Röntgen, Ultraschall, Antikörperbestimmung: Was bisher nur für Hunde, Pferde oder Katzen üblich war, hält nun auch zunehmend Einzug in die Behandlung von Kaninchen.
Tierbesitzer wünschten sich immer öfter eine umfassende Therapie ihrer kleinen Heimtiere – und haben auch entsprechende Erwartungen an den Tierarzt, sagt Dr. med. vet. Jutta Hein, Tierärztin für kleine Heimtiere/Kleinsäuger aus Augsburg im Vorfeld der BBF Baden-Badener Fortbildungstage vom 7. bis 9. April 2016.
Doch Wissen über Kaninchen werde im Studium kaum vermittelt. Der aktuelle Stand der Prävention und Therapie von Kaninchen ist deshalb eines der Themen der Fachtagung für Kleintiermedizin in Baden-Baden.
Fast ein Drittel der Patienten in einer Kleintierpraxis sind mittlerweile Kaninchen. Der Stellenwert dieser Tiere in Privathaushalten habe in den letzten Jahren deutlich zugenommen, sagt Jutta Hein, die Inhaberin der europäischen Zusatzqualifikationen für kleine Heimtiere – Diplomate ECZM (Small Mammal) und European Veterinary Specialist Zoological Medicine (Small Mammal) – ist.
„Die Tiere sind nicht nur Spielgefährten für Kinder, sondern werden zunehmend auch als Familienmitglied oder Kindersatz betrachtet“, beobachtet sie. „Zudem erreichen Kaninchen ein Alter von etwa zehn Jahren und wachsen einem in dieser langen Phase sehr ans Herz.“
Entsprechend habe auch die Zahl der Kaninchen, die als Patienten in die Kleintierpraxis kommen, in den vergangenen Jahren zugenommen. „Doch deren Anatomie und Stoffwechsel unterscheiden sich sehr von denen von Hund und Katze“, erläutert die Expertin.
Gerade der empfindliche Verdauungstrakt spiele beim Kaninchen eine zentrale Rolle. Ihre Zähne wachsen lebenslang, und ihr Magen und Darm sind nur schwach bemuskelt und haben dadurch kaum eigene Peristaltik.
Um den Nahrungsbrei im Darm weiterschieben zu können, sind die Tiere deshalb auf laufende Zufuhr von rohfaserreichem Futter angewiesen.
Treten hier Störungen auf – etwa durch Fütterungsfehler, Zahnprobleme, aber auch durch Hungerperioden in Folge von Erkrankungen oder nach Narkosen – kommt es schnell zu Komplikationen wie Fehlgärung, Übersäuerung und dadurch zu Kreislauf- und Stoffwechselentgleisungen.
Diese können innerhalb von 24 Stunden zum Tode führen. „Deshalb ist es bei der Therapie von Kaninchen in besonderem Maße wichtig, immer auch den Darmtrakt im Blick zu haben“, betont Hein.
Darüber hinaus litten die Tiere selten an nur einer Krankheit. „Dies fordert vom Tierarzt eine systematische Herangehensweise: gründliches Erfassen der Krankengeschichte und immer eine vollständige klinische Untersuchung, die sich nicht auf das offensichtliche Problem beschränkt.“
Zur Diagnose von Kaninchenkrankheiten können heute alle in der Tiermedizin üblichen Techniken zum Einsatz kommen. So ist etwa eine ausführliche Labordiagnostik von Blut, Kot und Urin inklusive der Bestimmung von spezifischen Krankheitserregern und Antikörpern möglich.
„Mittlerweile haben wir nicht nur die Techniken, sondern auch das Wissen für die tierartspezifische Interpretation von Untersuchungsbefunden“, sagt Hein und ergänzt: „Für zielführende Diagnostik sind die Tierbesitzer auch bereit, die Kosten zu übernehmen“. Damit sei eine umfassende und effektive Behandlung möglich.
„Die moderne und anspruchsvolle Tiermedizin sieht das ganze Tier und nutzt die vorhandenen Möglichkeiten der Diagnose und Therapie. Das führt zu besseren Ergebnissen und ist für alle Beteiligten sehr befriedigend“, fasst sie zusammen.
Bei den Vorträgen sowie dem Seminar mit Dr. Jutta Hein und weiteren Experten im Rahmen der BBF Baden-Badener Fortbildungstage erhalten Tierärzte einen fundierten Einblick in die Kaninchenmedizin.
Dazu gehören etwa neue Möglichkeiten der Diagnostik, die Interpretation von Untersuchungsbefunden und Tipps und Tricks, wie häufige Fehler vermieden werden können.
Die BBF Baden-Badener Fortbildungstage finden vom 7. bis 9. April 2016 in Baden-Baden statt.