Center für systembasierte Antibiotikaforschung entsteht in Bochum

(22.06.2020) An der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entsteht, in Zusammenarbeit mit der Lead Discovery Center GmbH (Dortmund), in den kommenden drei Jahren das Center für systembasierte Antibiotikaforschung (Cesar).

Es soll der Erschließung neuer Wirkstoffe dienen und die Vernetzung mit Akteuren aus Wirtschaft und Hochschullandschaft regional und überregional intensivieren.

Der Aufbau von Cesar wird vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Land NRW mit rund 4 Millionen Euro gefördert. Koordiniert wird das Center von Prof. Dr. Julia Bandow.

Ruhr-Universität Bochum (RUB)

Mangel an strukturell neuen Substanzen

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wurden nur zwei neue Antibiotika-Strukturklassen entdeckt; dennoch betreiben derzeit weltweit nur wenige Unternehmen Antibiotikaforschung und -entwicklung. „Eines der Hauptprobleme ist ein akuter Mangel an vielversprechenden, strukturell neuen antibakteriellen Substanzen, die als Ausgangspunkt für Entwicklungsprojekte dienen können“, sagt Bert Klebl vom Lead Discovery Center.

Mit Cesar wird eine Forschungsinfrastruktur geschaffen, in der modernste Geräte für die Suche nach neuen antibakteriellen Naturstoffen und für die Analyse der Wirkung und Wirkmechanismen von Antibiotika eingesetzt werden. Auch werden Kapazitäten geschaffen, vielversprechende Substanzen in ausreichender Menge für Forschung und Entwicklung zur Verfügung zu stellen.

Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität und des Lead Discovery Center bringen komplementäre Expertise in Massenspektrometrie-basierten Omic-Technologien, Assay-Entwicklung und Wirkstoffforschung zusammen, mit dem ultimativen Ziel, neue, dringend notwendige Therapiemöglichkeiten zu schaffen.

Bekannte und neue Antibiotikaproduzenten beproben

„Ausgangspunkt für die Suche nach bisher ungenutzten antibiotischen Wirkstoffen sind Bakterien, die solche Substanzen herstellen, um sich gegen konkurrierende Bakterien zu behaupten“, erklärt Julia Bandow. Die Mehrheit der heute genutzten Antibiotika wurde so in den 1940er- bis 1960er-Jahren entdeckt.

Da die Analysemethoden seither stark verbessert wurden, hoffen die Forscher auf weitere Entdeckungen – selbst bei der Untersuchung bekannter Bakterien. Sie wollen deshalb die Gesamtheit der von diesen Bakterien ausgeschütteten Substanzen analysieren.

Die meisten Bakterien harren noch ihrer Entdeckung

Darüber hinaus will das Team aber auch andere, bisher unbekannte Bakterien und deren Stoffwechselprodukte untersuchen. „Die Mehrzahl der existierenden Bakterien ist bisher noch gar nicht beschrieben“, gibt Julia Bandow zu bedenken. „Bisher ist schätzungsweise nur ein Prozent von ihnen kultivierbar.“

Eine erste Sammlung von Mikroben im Botanischen Garten der RUB erbrachte rund 200 solcher Mikroorganismen, die bisher noch nicht untersucht wurden. Ein Bakterium kann mitunter bis zu 1.000 Substanzen ausschütten, deren Wirkung auf andere Organismen zumeist unbekannt ist.

Diese Stoffe wollen die Forscherinnen und Forscher mithilfe von Techniken wie der Flüssigkeitschromatographie-gekoppelten Tandem-Massenspektrometrie aufspüren, um sie dann aufzureinigen und ihre Wirkung auf bakterielle Krankheitserreger zu charakterisieren.

„Was das Zentrum so einzigartig macht, ist, dass wir uns nicht von Anfang an nur auf einzelne Substanzen konzentrieren, sondern untersuchen, was eine Bakterienkultur als Ganzes produziert“, unterstreicht Julia Bandow den systembasierten Ansatz.

„Auch bei der Untersuchung der Wirkung nehmen wir zunächst die gesamte Bakterienzelle in den Blick und nicht ausschließlich ein spezielles Zielprotein.“ Mit der Einrichtung des Centers für systembasierte Antibiotikaforschung wollen das Lead Discovery Center und die RUB dazu beitragen, die Antibiotikaresistenzkrise nachhaltig zu adressieren.




Weitere Meldungen

Anstieg der Antibiotika-Verordnungen bei konstantem Anteil von Reserveantibiotika im Jahr 2022

Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin weiter unter dem Niveau vor der Pandemie

Nachdem die Zahl der Verordnungen von Antibiotika in den Jahren 2020 und 2021 rückläufig war, ist sie im Jahr 2022 wieder angestiegen
Weiterlesen

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

Antibiotika-Einsatz bei Masttieren: Tendenz weiter rückläufig

Gerade bei Tierarten, bei denen bisher besonders viel und häufig Antibiotika eingesetzt wurden, zeigt sich dabei eine erfreuliche Tendenz
Weiterlesen

Abgabemengen von Antibiotika; Bildquelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Abgabemengen von Antibiotika in Tiermedizin gehen weiter zurück

Weiterer Rückgang auch bei Fluorchinolonen, Cephalosporinen der 3. und 4. Generation sowie bei Polypeptidantibiotika
Weiterlesen

VetMAB

Sonderaktion für „Vetis“ auf Myvetlearn.de – Kurse zur Antibiotikaminimierung kostenfrei

Ansteigenden Resistenzen gegen antimikrobielle Wirkstoffe sind eine ernsthafte und auch lebensbedrohliche Gefahr für Mensch und Tier
Weiterlesen

Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt)

Tierärzteverband fordert Ablehnung des Änderungsantrags der Ampel-Koalition

Am 1. Dezember entscheidet der Deutsche Bundestag über die erste Novelle des Tierarzneimittelgesetzes. bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder hat unmittelbar vor der Abstimmung noch einmal mit einem Schreiben bei der FDP-Bundestagsfraktion dafür geworben
Weiterlesen

Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt)

Tierärzte verabschieden Resolution: "Politische Ideologie untergräbt Tierarzneimittelgesetznovelle"

Die Delegiertenversammlung des bpt hat einstimmig eine Resolution gegen einen kurzfristig vorgelegten Änderungsantrag für ein Gesetz zur Änderung des Tierarzneimittelgesetzes verabschiedet
Weiterlesen

Antibiotika-Abgabemengen 2011 und 2021; Bildquelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Deutlich geringere Abgabemengen von Antibiotika in der Tiermedizin

Mengen für Fluorchinolone, Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Makrolide und Polypeptidantibiotika auf niedrigstem Wert seit 2011
Weiterlesen

Magazin

Firmennews

Neuerscheinungen