BHV Symposium bringt erstmals Wissenschaftler, Tierärzte und Hundetrainer an einen Tisch
Mehr als 120 Wissenschaftler, Tierärzte und Hundetrainer trafen sich am vergangenen Wochenende in Potsdam zum BHV Symposium „Wissenschaft trifft Praxis“.
Referenten aus dem In- und Ausland präsentierten auf der 2-tägigen Veranstaltung neueste Forschungsergebnisse, oder bezogen Stellung zu aktuellen Themen wie Hundezucht und Ausbildung.
Die Tierärztin Patricia Kaulfuߠ eröffnete mit einem Vortrag über Zwangsstörungen und Stereotypien beim Hund das Symposium. Die Zuhörer erfuhren, dass stereotypes Verhalten nicht zwangsläufig ein abnormales Verhalten darstellt.
Als Beispiel nannte die Referentin das Balzverhalten, bei dem stetig wiederkehrenden Bewegungen oder Lautäußerungen des Tieres gezeigt werden. Desweiteren (wurden) wurde auf die Ursachen, Diagnose und Therapiemaßnahmen bei abnormal-repetitive(s)m Verhalten eingegangen. Frau Kaulfuß schloss ihr Referat mit der Warnung vor einer allzu leichtfertig geäußerten Aussicht auf vollständige Heilung bei einer Zwangsstörung.
Nur ca. 2/3 der Krankheitsfälle können durch eine Therapie verbessert, nicht geheilt werden.
Zeitgemäße Hundezucht lautete der Titel des Vortrags von Frau Dr. Helga Eichelberg. Sehr anschaulich zeigte die bekannte Kynologin die Veränderung einiger Rassen innerhalb der letzten 100 Jahre.
Nicht nur modische Aspekte, sondern auch der kurze Zeitraum, in dem den Tieren Veränderungen, wie z.B. kurze Beine oder faltige Gesichter angezüchtet wurden, sind Ursachen vieler Krankheiten heutiger Zuchtlinien.
Frau Dr. Eichelberg betonte, dass für die Lebensqualität zukünftiger Hundegenerationen Wissenschaftler und Züchter gemeinsam verantwortlich sind. Strengere Zuchtüberwachung, Zuchttauglichkeitsprüfungen, Ausdauerprüfungen, Zuchtwertschätzung oder DNA-Tests wurden hier als Möglichkeiten genannt.
Hunde leben seit ca. 15.000 Jahren mit Menschen zusammen. Die Frage, ob und in welcher Form der Vierbeiner sich in dieser Zeit dem Menschen angepasst hat, war das Kernthema des Vortrags von Frau Dr. Juliane Kaminiski.
Die Forscherin präsentierte Ergebnisse verschiedener Studien, wie z.B. die dass Hunde Zeigegesten des Menschen auf Futter (wahrnehmen) erkennen können, oder unterscheiden können, ob der Mensch seine Augen geöffnet oder geschlossen hat.
Beeindruckend war auch das Fallbeispiel eines Border Collies der 200 verschiedene Spielzeuge anhand (deren) ihrer Namen identifizieren und unterscheiden konnte. Bemerkenswert bei allen vorgestellten Studien war außerdem, dass sowohl Menschenaffen als auch Wölfe bei vergleichbaren Versuchsanordnungen wesentlich schlechter abschnitten als unsere Haushunde.
„The Brave New World of Dogtraining“ lautete das Thema des Referats von Roger Abrantes, PhD. Er startete mit der provokanten Feststellung, dass Hundetraining heutzutage zu sehr instrumentalisiert sei, und dabei die eigentliche Beziehung zwischen Mensch und Hund leicht auf der Strecke bleiben kann. „Relationship is a natural thing“, und darf in der Hundeausbildung nicht vernachlässigt werden, so sein Statement.
Eindrucksvoll war für die Zuhörer seine Demonstration über die Ausbildung von Polizeihunden in Portugal, und sein Bestreben, die Hundeausbildung in Europa unter einem einheitlichen Standard zu stellen. Einen großen Beitrag hierzu wird sicherlich die von Dr. Abrantes entwickelte standardisierte Signalsprache SMAF (Signal, Meaning And Form) leisten.
Der zweite Tag des Symposiums wurde von Prof. Dr. Kurt Kotrschal eröffnet. „Vom Wolf zum Hund“, lautete das Thema seines Vortrages. Anhand von Filmaufnahmen gewährte der erst kürzlich zum Forscher des Jahres in Österreich ernannte Wissenschaftler, den Teilnehmern Einblick in seine Arbeit mir Wölfen und Hunden.
Die von Hand aufgezogenen Wölfe zeigen in vielen Situationen ähnliches Verhalten wie Hunde: Sie reagieren auf ihren Namen, können Kommandos wie Herankommen und Sitz ausführen und lassen sich angeleint zu einem Spaziergang mitnehmen.
Im Gegensatz zu Hunden war zu erkennen, dass Wölfe nicht nur für ein verbales Lob zu arbeiten bereit waren. Gab es keine Futterbelohnung, verlor der Wolf schnell das Interesse. „Hunde sind spezialisierte Wölfe. Spezialisiert auf die Kooperation mit dem Menschen“, so das Fazit von Dr. Kotrschal.
Das immer wieder kontrovers diskutierte Thema „Schilddrüse und Verhalten beim Hund“ war Gegenstand des Referats von Frau Dr. Angela Bartels. Zusammen mit ihren Kollegen von der Tierärztlichen Fakultät der Uni in München hat die Tierärztin in verschiedensten Studien versucht einen Zusammenhang zwischen niedrigen Schilddrüsenwerten und Verhaltensstörungen beim Hund nachzuweisen.
Die Ergebnisse zeigten, dass Verhaltensprobleme beim Hund einen Bezug zu niedrigen Schilddrüsenparametern aufweisen können, wenngleich weitere Einflussgrößen zu berücksichtigen sind. Frau Dr. Bartels riet daher zu einer regelmäßigen Überprüfung der Schilddrüse bei Hunden mit Verhaltensstörungen. Bei einer Unterfunktion der Schilddrüsen hat sich zur Therapie die Gabe von Schilddrüsenhormonen in Kombination mit einer Verhaltenstherapie bewährt.
Reges Interesse fand der Vortrag von Frau Dr. Anna Sophie Müller mit dem Titel „Der Hypo-Hund“. Hypo steht für Hypoglykämie, also der drohenden Unterzuckerung eines Diabetikers.
Frau Dr. Müller bildet selbst Hunde aus, die bevor der Mensch selbst bemerkt, dass sein Blutzuckerspiegel fällt, reagieren. Sie bringen z.B. eine Tasche mit Traubenzucker oder betätigen einen Notfallknopf. Was genau der Hund im Falle einer Unterzuckerung riecht, ist noch unklar. Wahrscheinlich spielt auch ein verändertes Verhalten des Patienten in diesen Situationen eine Rolle. Mehr Aufschluss dazu soll in naher Zukunft ein Forschungsprojekt der Uni-Klinik Hannover geben.
Parallel zum Symposium fand ein Seminar zum Thema Aggressionsverhalten beim Hund von Frau Dr. Renate Jones-Baade statt. Den mehr als 40 Teilnehmern wurden anhand von Bild-/Foto- und Videoanalysen ein Überblick über Ursachen und Formen von aggressivem Verhalten und die Entwicklung von Aggressionen gegeben. Sehr häufig ist Angst die Ursache. Frau Dr. Jones-Baade ging auch auf mögliche Therapieansätze in Form von Gegen- und Umkonditionierung ein.
Durchweg positiv war die Resonanz der Referenten und Teilnehmer, was sich auch an den regen Diskussionen sowohl nach den einzelnen Vorträgen, aber auch in den Pausen zeigte. Rainer Schröder, Vorsitzender des BHV ist sich sicher: „Unser Konzept ist aufgegangen. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg.“ Das Symposium wird im 2-jährigen Turnus wiederholt.