Wer bin ich? Und wenn ja, wer mag mich?

(02.07.2020) Wenn ich kann, bin ich die Tierärztin, die ich immer sein wollte. Das Ganze soll aber, nach Meinung einiger Tierhalter, auf keinen Fall Geld kosten. Eine Kolumne von Dr. Dominique Tordy.

Es war ein Traum, Tierärztin zu werden.

Gemeinsam mit den Frauchen und Herrchen – so dachte ich – kämpft der Tierarzt (m/w/d) heldenhaft gegen üble Krankheiten und rettet die geliebten Tiere. Dabei ist dies nur ein Teil unserer Arbeit...

Über die Party-Romantiker...

Wenn ich auf einer Party erwähne, dass ich Tierärztin bin, bekommen meine Zuhörer unverzüglich große verliebte Augen und reagieren, als ob ich gerade erklärt hätte, dass ich jeden Tag einen Liter Blut spende, um kranken Kindern in Kriegsgebieten das Leben zu retten.

Die Gesellschaft ist schnell begeistert:
Das muss doch unglaublich befriedigend sein, jeden Tag süßen Hunden und Katzen das Leben zu retten!
Ich wollte auch immer Tierärztin werden! Als Kind habe ich sogar mal eine Katze mit der Hand aufgezogen!
Mein Sohn kann auch so gut mit Tieren umgehen! Wäre es nicht toll, wenn er in den Ferien mal bei euch in der Praxis helfen würde?
Also, meine Tierärztin gehört ja praktisch zur Familie! Ich hab ihre Nummer schon auf Kurzwahl!

Dann jedoch kommt der obligatorische Einwand:
„Also, ich könnte das ja nicht. Du musstest doch bestimmt auch mal ein Tier einschläfern, oder?

Oder jemand fragt mit spöttischem Lachen:
Kann dein Mann denn ruhig neben dir schlafen? Immerhin hast du ja echt Erfahrung im Kastrieren, haha!

Die Stimmung kippt und ich versuche, in der Menge unterzutauchen. Im Nu entspinnt sich eine Unterhaltung, die auch ohne mich stattfinden kann.

Also ich traue Tierärzten ja grundsätzlich nicht mehr.“, höre ich hinter mir, während ich versuche, mich unauffällig mit dem Buffet zu beschäftigen, auf den Balkon zu fliehen oder mal zu schauen, was die Leute in der Küche machen.

Meinem Waldi hat er ja gar nicht geholfen! Der ist erst eine Woche später wieder gesund geworden! Und dann wollte der noch Geld dafür!!!

Es ist eine Schande, dass man da immer noch für Impfungen hin muss. Ansonsten gehe ich ja nur noch zu meinem Heilpraktiker. Dem vertraue ich blind und der behandelt meinen Hund dann gleich mit!

...über mich...

Wer oder was ist der Tierarzt in der Vorstellung der Tierbesitzer?

Lebensretter oder Kurpfuscher?
Tierfreund oder Halsabschneider?
Vorbild oder Alptraum?

Ich glaube, wir sind das, was die Tierhalter uns sein lassen.

Wenn ich kann, bin ich die Tierärztin, die ich immer sein wollte:

Ich freunde mich erst mit meinem Patienten an, untersuche ihn in Ruhe, mache mir meine Gedanken und behandle ihn – hoffentlich – bis er wieder gesund ist. Nebenbei führe ich eine freundliche Unterhaltung mit dem dazugehörigen Menschen.

...und über die Gurkenkönige

Das Ganze soll aber, nach Meinung einiger Tierhalter, auf keinen Fall Geld kosten, wenn wir unseren Beruf wirklich lieben. Die Therapie müsste spätestens am nächsten Tag eine deutlich sichtbare Wirkung zeigen, wenn wir unser Handwerk beherrschen. Die Behandlung sollte sich auch unbedingt mit den Empfehlungen aus dem Internet decken – die haben den anderen schließlich auch geholfen. Wartezeiten über 20 Minuten sind für einige Kunden vollkommen inakzeptabel, auch wenn sie ohne Termin spontan in die Praxis schneien. Und gerade diese Kunden schaffen es häufig nicht einmal, freundlich zu sein.

Menschen mit diesen Vorstellungen werden wohl immer unzufrieden sein, nicht nur in der Tierarztpraxis. Aber wollen wir uns wirklich für diese „Gurkenkönige“*) aufreiben?

Spontan passiert es mir immer wieder, dass ich gerade bei diesen Menschen versuche, sie zufriedenzustellen. Dies ist aber nicht nur anstrengend sondern auch oft vergebene Liebesmüh.

Bewusst versuche ich mich statt dessen auf meine persönlichen VIPs zu konzentrieren.

Das sind die vielen Ladys und Gentlemen, die auch in der Tierarztpraxis freundlich auftreten und es schaffen, zuzuhören. Diesen VIP-Kunden erkläre ich auch gern alles mehrfach, wenn sie in der Aufregung nicht alles verstehen. Ich suche länger nach Differential­diagnosen oder nach preisgünstigeren Behandlungs­alternativen.

Diese Menschen muss ich nicht von mir überzeugen, sondern ich muss verhindern, sie zu enttäuschen!

Wenn die „Gurkenkönige“ erwarten, dass ich sie nur ausnehmen möchte, wird sich ein Großteil unserer Gespräche um Geld drehen. Wenn sie nur Grausamkeiten von Spritze, Thermometer oder Otoskop erwarten, wird die Angst zum Begleiter jeder Untersuchung und Behandlung. Und wenn sie kostenlose Wunder erwarten, sind sie in der Kirche besser aufgehoben (nach der Kirchensteuer, versteht sich).

Ich versuche, Lebensretter, Tierfreund und Vorbild zu sein, indem ich mich auf die VIPs konzentriere. Das schafft so viel Energie, dass ab und zu auch genug Energie da ist, um einen Gurkenkönig auf die gute Seite zu ziehen.


*) Vielleicht kennt noch jemand den Kinderroman „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ von Christine Nöstlinger? Hier spielt der sogenannte „Gurkenkönig“ die titelgebende Rolle.



Sie fühlen sich davon angesprochen? Denken ähnlich? Oder sind ganz anderer Meinung? Schreiben Sie uns, was Sie bewegt!

PS: Kennen Sie auch schon die neuen Websites DOG ROYALZ und CAT ROYALZ, auf denen sich Hunde und Katzen als Mitglieder registrieren lassen können. Highlight dabei ist die tiermedizinische Notfalldatenbank.

Titelbild: Shutterstock / motttive

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