Sauber und ordentlich!

(20.11.2020) Wer möchte schon einen sauberen und ordentlichen Bürojob haben, bei dem höchstens Kaffeeflecken auf dem Hemd oder der Bluse landen? Wir stehen mitten im Leben – mit allem, was dazugehört! Eine Kolumne von Dr. Dominique Tordy.

Es war ein Traum, Tierärztin zu werden.

Gemeinsam mit den Frauchen und Herrchen – so dachte ich – kämpft der Tierarzt (m/w/d) heldenhaft gegen üble Krankheiten und rettet die geliebten Tiere. Dabei ist dies nur ein Teil unserer Arbeit...

Der Tierarzt-Beruf macht einen guten Eindruck!

Als ich vor vielen Jahren via Zeitungsinserat eine Wohnung suchte, erwähnte ich darin auch meinen Beruf. Ich dachte, dass dies einen seriösen Eindruck machen würde und erhoffte mir dadurch bessere Chancen am Wohnungsmarkt.

Schließlich verbinden viele Menschen mit unserem Beruf absolute Hilfsbereitschaft und fast unbegrenzte Tierliebe, verpackt in einen weißen Kittel - sauber und ordentlich.

Die Wahrheit kann dagegen ganz schön unattraktiv und weit weg von „sauber und ordentlich“ sein.

Während sich die Welt gerade drüber streitet, ob und in welchem Umfang das Tragen einer Maske zumutbar ist, schwitzen wir in langen Operationen ganz selbstverständlich unter unseren Masken. Zusätzlich tragen wir sterile Kittel über unserer Kleidung und Gummihandschuhe über den Händen.

Wenn wir dann fertig sind, sind die Haare wirr und Schweißperlen trocknen auf der Stirn. Doch dann kommt nicht etwa der saubere, ordentliche Teil unserer Arbeit.

Wir bringen uns wieder einigermaßen in Ordnung und gehen in die Sprechstunde.

Der nächste bitte.

Dort wartet beispielsweise ein kleiner süßer Hundewelpe, der einem über das Gesicht schlabbert. Das ist zwar nicht sauber und ordentlich, aber immerhin niedlich.

Eklig wird es, wenn bei dem Kleinen anschließend Wurmbefall festgestellt wird.

Aber gut, das Gesicht kann man ja schnell abwaschen, um (einigermaßen) sauber und ordentlich für den nächsten Patienten zu sein.

Der nächste Patient ist eine Französische Bulldogge. Leider bringen Schleimhaut- oder Augenkontrollen Bulldoggen schnell zum Niesen und unfreiwillig steht mein Gesicht so mal wieder mitten in einem Sprühstrahl von Bulli-Nasenschleim.

Als Kleintierärztin habe ich es nur mit kleinen Niesern zu tun. Das Niesen oder Schnauben eines Pferdes mit verschleimten Nüstern ist selbstverständlich noch weit beeindruckender in Bezug auf Druck und Menge des Schleims!

Also erfolgt eine erneute Gesichtswäsche.

Aus dem Wartezimmer kommt nun ein Labrador mit einem dicken Verband über der Pfote herein. Die Besitzer haben den Verband angelegt, weil die Pfote stark geblutet hat, nachdem der fröhliche Kerl aus einem Bach herauskam. Ich nehme den Verband ab - und ein dünner Blutstrahl spritzt mir entgegen. Offensichtlich hat ein Stein oder eine Glasscherbe eine dünne Arterie verletzt. Die Wunde wird versorgt und erneut wasche ich mich gründlich, um die Blutspritzer zu entfernen.

Jetzt kommt ein Notfall herein.

Der rote Kater hat Schwierigkeiten beim Urinabsatz. Ein Harnstein verlegt den Ausgang und die Blase ist prall gefüllt.

Schnell wird unter Sedation der Stein entfernt – und eine Fontäne aus Urin spritzt aus der übervollen Blase. Diesmal bleiben alle Mitarbeiter verschont, der Strahl geht ins Leere.

Doch Urin ist nicht das unangenehmste, womit wir oft unfreiwillig in engen Kontakt kommen. Er lässt sich besser entfernen und riecht auch nicht so übel wie Meerschweincheneiter oder Analdrüsensekret.

Mein ehemaliger Chef schaffte es einmal, beim Hochheben eines Hundes so ungünstig in den Sprühstrahl dessen Analdrüsensekrets zu geraten, dass er das stinkende Sekret nicht nur auf seinem Kragen, sondern auch auf seinem Hals, seinen Lippen, seiner Brille und seiner Stirn wiederfand.

Und ich selbst geriet bei der Untersuchung eines jungen Rüden, dem Blut aus der Präputialöffnung tropfte, noch in einen ganz anderen Spritzstrahl – eine extrem unangenehme Erfahrung, die mich auf alle Ewigkeit daran erinnerte, dass zum Sexualakt der Hunde das „Umsteigen“ gehört. Dabei wird der Penis langsam seitlich gedreht, so wie  es ein untersuchender Tierarzt macht, wenn er die Penisspitze untersuchen möchte.

Das sind einige Beispiele für die leider gar nicht so „saubere“ Realität der Tiermedizin.

Aber wer möchte schon einen sauberen und ordentlichen Bürojob haben, bei dem die Finger sauber bleiben und auf dem Hemd oder der Bluse höchstens Kaffeeflecken landen?

Wir stehen eben mitten im Leben – mit allem, was dazugehört!


Sie fühlen sich davon angesprochen? Denken ähnlich? Oder sind ganz anderer Meinung? Schreiben Sie uns, was Sie bewegt!

PS: Kennen Sie auch schon die neuen Websites DOG ROYALZ und CAT ROYALZ, auf denen sich Hunde und Katzen als Mitglieder registrieren lassen können. Highlight dabei ist die tiermedizinische Notfalldatenbank.

Titelbild: Sidney A. Tordy

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