Das erklärt uns der Herr Doktor gleich nochmal!

(30.01.2020) Ich war jung und wollte mit Wissen und Engagement die Welt retten. Und – wenn es gut lief – dafür mit Dankbarkeit und Bewunderung belohnt werden. Heute weiß ich es besser. Eine Kolumne von Dr. Dominique Tordy.

Bildquelle: Illustration - Dominique Tordy Es war ein Traum, Tierärztin zu werden.

Gemeinsam mit den Frauchen und Herrchen – so dachte ich – kämpft der Tierarzt (m/w/d) heldenhaft gegen üble Krankheiten und rettet die geliebten Tiere.

Heute weiß ich: Zum Tierarzt-Beruf gehört es nicht nur, unsere Patienten zu heilen, sondern auch sie und ihre Besitzer glücklich zu machen. Das ist ein schrecklich unterschätzter Teil unserer Arbeit…

Zu Beginn meiner Karriere war ich anders. Ich war jung und wollte mit Wissen und Engagement die Welt retten. Und – wenn es gut lief – dafür mit Dankbarkeit und vielleicht auch ein wenig Bewunderung belohnt werden.

Damals war ich als interessierter, aber gänzlich unerfahrener Neuling in einer großen Klinik tätig. Und ich war besessen von der Chirurgie. Abgesehen von Wirbelsäulen-OPs, die mir damals außer Reichweite erschienen, war die Versorgung eines Kreuzbandrisses damit so eine Art heiliger Gral für mich.

Nun, operieren durfte ich ihn noch nicht. Aber es lag in meinem Aufgabengebiet, den Kreuzbandriss zu diagnostizieren, den Besitzern das bestehende Problem zu erklären, und sie über und die OP-Möglichkeiten zu informieren.

Dazu hatte ich ein wundervolles Konzept mit plastischer Darstellung entwickelt. Mit meinen Händen und Armen stellte ich Ober- und Unterschenkel dar, ein Finger symbolisierte das intakte Kreuzband. Sein Fehlen führte – im Knie genauso wie zwischen meinen Händen – zu einer sichtbaren Instabilität, die folglich auch nicht durch ein Schmerzmittel zu beheben war.

Ein weiterer Teil meiner Ausführung beschrieb detailliert die Entstehung des Risses und nebenbei erklärte ich, warum dazu nicht wie beim Menschen ein Trauma nötig sei.

Diese Ausführungen waren zeitraubend und fraßen Energie, aber das war es wert!

Kein Tierhalter sollte mich uninformiert verlassen.

Sie sollten wissen, in welch großartige Maßnahmen sie ihr Geld investierten!

Eines Tages stellte tatsächlich ein Tierhalter am Ende meiner Ausführungen eine interessierte Frage. Das heißt, er wollte sie stellen. Denn die Frage war nur halb ausgesprochen, da stieß ihm seine Frau unsanft den Ellenbogen in die Rippen!

„Das erklärt uns der Herr Doktor gleich nochmal!“, zischte sie ihm böse zu.

Als hätten sie bis dahin mit der TFA gesprochen!

Ich war tief getroffen.

Ja, ich war nicht „der Herr Doktor“, männlich, Mitte 40, vielleicht bärtig – so wie Tierärzte im Fernsehen oft aussehen. Statt dessen war ich eine kleine Frau, die außerdem noch viel zu jung aussah.

Aber hatte ich nicht mit vielen Worten meine Kompetenz gezeigt? Hatte ich nicht wirkliches Engagement bewiesen? Ich war entsetzt über eine derart diskriminierende Haltung!

Heute weiß ich: Die arme Frau hatte wahrscheinlich kein Wort meiner langen Ausschweifungen verstanden. Und sie hoffte wohl, dass ein kompetenter Mensch sie so aufklären könnte, dass sie es verstand.

Vielleicht befürchtete sie auch, dass die Frage ihres Mannes einen erneuten Redeschwall meinerseits auslösen könnte. Ich werde es nie erfahren.

Ich bin auch kein „Herr Doktor“ geworden.

Aber immerhin bin ich jetzt klüger, was die Beschreibung von Kreuzbandriss-Operationen angeht.

„Eine Möglichkeit ist es, eine Art Ersatz für das gerissene Band zu schaffen. Eine andere ist, die Knochenstellung ein wenig zu verändern, damit das Band gar nicht mehr gebraucht wird.“

Dann folgt, wenn gewünscht, noch ein Hinweis, welche Methode im betreffenden Fall zu bevorzugen sei. Manchmal mit kurzer (!) Begründung.

Das war’s.

Inzwischen fragt niemand mehr nach dem „Herrn Doktor“. Und ich habe den starken Verdacht, dass das nicht nur daran liegt, dass ein paar Kerzen mehr auf meiner Geburtstagstorte brennen.

Ich habe eingesehen, dass die Tierhalter eine grobe Idee davon haben wollen, was mit ihrem Hund passiert. Sie wollen wissen, wieviel es kostet, und möchten am liebsten, dass der Tierarzt sagt: Wir schaffen das!

Und mal ehrlich: Was sollen sie auch mit den vielen Extra-Infos anfangen?

Aber manchmal – ganz selten – fragt auch ein Kunde nach Einzelheiten. Dann möchte er wirklich wissen, was im Knie seines Hundes passiert ist. Er möchte hören, welche cleveren Überlegungen hinter der Umstellungs-Osteotomie stehen. Und er fühlt sich sicherer, je mehr er von den Vorgängen versteht.

Dann ist der Moment gekommen!

Dann darf die junge Tierärztin von früher ran, die die Welt aufklären, begeistern und für sich gewinnen will! Dann schlägt ihre Stunde!

Den Rest der Zeit kann ich aber inzwischen auch genießen. Es lebt sich doch deutlich entspannter mit weniger Daten(über)fluss.


Sie fühlen sich davon angesprochen? Denken ähnlich? Oder sind ganz anderer Meinung? Schreiben Sie uns, was Sie bewegt!

PS: Kennen Sie auch schon die neuen Websites DOG ROYALZ und CAT ROYALZ, auf denen sich Hunde und Katzen als Mitglieder registrieren lassen können. Highlight dabei ist die tiermedizinische Notfalldatenbank.

Illustration: Dominique Tordy

Bisher erschienen:

Bildquelle: Shutterstock / Dora Zett

Die letzten Minuten

Wie sehen sie wohl aus, die letzten Minuten und Stunden, bevor Tierhalter mit heißen Köpfen und zitternden Händen in den tierärztlichen Notdienst stürmen?
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Bildquelle: Sidney A. Tordy

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Bildquelle: Illustration - Dominique Tordy

Das erklärt uns der Herr Doktor gleich nochmal!

Ich war jung und wollte mit Wissen und Engagement die Welt retten. Und – wenn es gut lief – dafür mit Dankbarkeit und Bewunderung belohnt werden. Heute weiß ich es besser.
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Wir sind Batman!

Wir müssen die retten, die gar nicht wissen, dass wir die „Guten“ sind. Wir helfen denen, die sich nicht selbst helfen können.

Moment mal - da kenne ich doch noch jemanden…
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