Die letzten Minuten
Wie sehen sie wohl aus, die letzten Minuten und Stunden, bevor Tierhalter mit heißen Köpfen und zitternden Händen in den tierärztlichen Notdienst stürmen? Eine Kolumne von Dr. Dominique Tordy.
Es war ein Traum, Tierärztin zu werden.
Gemeinsam mit den Frauchen und Herrchen – so dachte ich – kämpft der Tierarzt (m/w/d) heldenhaft gegen üble Krankheiten und rettet die geliebten Tiere. Dabei ist dies nur die Spitze des Eisbergs...
Wie sehen sie wohl aus, die letzten Minuten und Stunden, bevor
Tierhalter mit heißen Köpfen und zitternden Händen in den tierärztlichen
Notdienst stürmen?
Ihren Hund oder ihre Katze halten sie an die
Brust gepresst. In ihren Augen steht die blanke Angst – bis der Tierarzt
Entwarnung gibt und nach mehr oder weniger umfangreicher Analyse der
Situation endlich eine „Infektion der oberen Atemwege“ oder eine
„unkomplizierte Enteritis“ diagnostiziert.
Was führt dazu, dass ganz normale Menschen innerhalb weniger Stunden zu nervlichen Wracks mutieren und anschließend erst einmal mehrere Tage Erholungszeit brauchen, bevor sie wieder in der Lage sind, so klar zu denken, wie sie es vor diesem Ereignis vermochten.
Oft beginnt es mit einem leichten Husten…
Szene in einem normalen Wohnzimmer
Personen:
Frauchen Danni: liegt auf dem Sofa
Herrchen Frank: sitzt im Sessel
Hund Waldi: liegt zusammengerollt und recht entspannt in seinem Körbchen
Waldi: steht auf und geht in der Küche etwas trinken, auf dem Rückweg bleibt er kurz stehen
Waldi hustet einmal
Danni
(tadelnd
): „Schatz, hast du dem Waldi wieder so kaltes Wasser hingestellt? Du weißt doch, dass der sich dann immer wieder verschluckt!“
Waldi hustet erneut
Frank
: „Ach Quatsch, der hat doch bloß was im Hals…“
Danni
: „Du willst nur nicht schuld sein.“
Frank
: schweigt und schaut beleidigt drein
Waldi hustet erneut
Frank
: „Jetzt ist der Hals aber nicht mehr kalt!“
Danni
: „Jaja,… Aber was hat er denn dann?“
Frank
: „Warum muss er denn gleich was haben?“
Danni
: „Ja, ich mach mir halt Sorgen.
Die Nachbarn von Jette und Bernd haben erzählt, dass ihr Hund voriges Jahr vergiftet wurde. Der hat wochenlang Durchfall gehabt. Bestimmt gibt es auch Gift, was Husten macht.“
Frank
: „Quatsch, wie soll denn so ein Gift wirken, dass es zu Husten führt?“
Danni
: „Naja, wenn zum Beispiel der Hals zuschwillt?!“
Frank
: „Dann könnte er ja nicht mehr mein kaltes Wasser trinken.“
Danni
: „Vielleicht kommt das ja noch. Alles fängt ja mal leicht an.“
Waldi hustet
Danni
: „Frank! Meinst du, dann haben wir noch genug Zeit um zum Tierarzt zu kommen? Ich meine, wenn der Hals zuschwillt…“
Frank
: (scherzend
) „Dann mache ich einfach einen Luftröhrenschnitt…“
Danni
: (ängstlich
) „Wie kannst du nur Witze darüber machen?! Das ist NICHT lustig!!“
Frank
: „Jetzt beruhige dich doch! Sollen wir zum Tierarzt fahren?“
Danni
: „Und was, wenn es nur etwas Harmloses ist? Dann machen wir uns lächerlich!“
Frank
: „Wir?“
Danni
: (wird beim Sprechen immer lauter
) „Aber wenn wir zu spät losfahren? Am Ende muss der Tierarzt doch noch einen Luftröhrenschnitt machen! Also ich könnte das nicht! Und du auch nicht! Du hast es nur einmal im Fernsehen gesehen. Und das ist doch auch gar nicht steril! Auf keinen Fall lasse ich zu, dass du ein Loch in Waldi schneidest!!!“
Frank
: „Aber wenn wir ihn nur so retten könnten?“
Danni
: (flehend
) „Schatz, ich bekomme Angst. Kannst du Mund-zu-Schnauzen-Beatmung? Das soll genauso gehen wie bei Menschen. Ob das noch geht, wenn der Hals schon zugeschwollen ist?“
Frank
: „Der ist doch gar nicht zugeschwollen…“
Waldi hustet
Danni
: (jetzt laut
) „Aber da IST doch was! Der hat doch was im Hals!!! Was ist, wenn da der Kauknochen von heute Nachmittag drin steckt?? Und was, wenn dann die Lunge platzt, wenn du zu stark reinbläst?“
Frank
: „Wo reinbläst?“
Danni
: „Na, bei der Mund zu Schnauzen-Beatmung! Wir sollten doch zum Tierarzt!“
Frank
: „Schatz, du wirst hysterisch.“
Danni
: „Wir müssen ja nicht! Aber du bist schuld, wenn wir doch was verpassen!“
Frank
: „Bist du verrückt? Ich will doch auch nicht, dass Waldi was passiert!“
Danni
: „Aber machen willst du auch nichts!“
Frank
: „Ich will schon, aber weißt du, was das mitten in der Nacht kostet?“
Danni
: (jetzt wirklich laut
) „Willst du dass Waldi stirbt? Wegen so einer Notdienstgebühr? Nur wegen GELD?!?“
Waldi hustet
Frank
: „Also gut, dann ruf doch einfach mal in der Klinik an!“
Danni greift zum Handy, wählt die Telefonummer der Tierklinik und berichtet von Waldis anhaltendem Husten.
Was jetzt kommt, kennen wir alle
Was jetzt kommt, kennen wir alle aus nächtlichen, wochenendlichen und feiertäglichen Notdiensten...
Stimme des Tierarztes
aus dem Telefon: „Also
das klingt erst einmal nicht nach einem Erstickungsanfall. Aber durch
das Telefon, also ohne Ihren Hund untersucht zu haben, kann ich Ihnen
keine Garantie geben…“
Danni
wird blass.
Mit bebender Stimme wendet sie sich an Frank: „Schatz, die können für nichts mehr garantieren!“
Frank
erstarrt
: „Also die halten das auch für ernst? Ich würde es mir nie verzeihen, wenn Waldi etwas passiert!“
Danni
: „Okay, lass uns fahren. Ich pack schnell noch die Hundetasche. Sowas
Wichtiges darf einfach nicht am Geld scheitern! Steck mal hundert Euro
ein. So viel kann das ja nicht kosten. Die müssen ja nur schnell ein
paar Röntgenbilder machen…“
Sie fühlen sich davon angesprochen? Denken ähnlich? Oder sind ganz anderer Meinung? Schreiben Sie uns, was Sie bewegt!
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Titelbild: Shutterstock / Dora Zett
Bisher erschienen:
Die letzten Minuten
Wie sehen sie wohl aus, die letzten Minuten und Stunden, bevor Tierhalter mit heißen Köpfen und zitternden Händen in den tierärztlichen Notdienst stürmen?
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