Brauchen wir die „Keule“?
Die „Keule“ ist ein Instrument in der Veterinärmedizin, welches immer wieder für Angst und Schrecken sorgt – und andererseits auch einen Ausweg für scheinbar ausweglose Situationen bieten kann… Eine Kolumne von Dr. Dominique Tordy.
Es war ein Traum, Tierärztin zu werden.
Gemeinsam mit den Frauchen und Herrchen – so dachte ich – kämpft der Tierarzt (m/w/d) heldenhaft gegen üble Krankheiten und rettet die geliebten Tiere. Dabei ist dies nur ein Teil unserer Arbeit...
Die Wirkungen der „Keule“ sind sagenumwoben. Zitternde Tierhalter fragen schüchtern: „Brauchen wir denn da wirklich so eine Chemie-Keule?“
Andere warnen den Tierarzt schon beim Betreten des Behandlungsraums mit grimmig drohender Stimme: „Nicht, dass Sie mir mit so einer Chemie-Keule kommen!“
Im Einsatz bekommt sie meist etwas liebevollere Namen. Allerdings schaffen auch die Bezeichnungen „Narkosemittel“ oder „Entzündungshemmer“ keine wirkliche Klarheit, was die „Keule“ so alles macht.
Nichtsdestotrotz verdient sie die pauschale Verurteilung nicht, die ihr manchmal entgegengebracht wird.
Deswegen möchte ich sie heute dafür ehren, dass sie uns zur Verfügung steht und – sinnvoll eingesetzt – Schmerzen bekämpft, Leiden lindert und manchmal sogar Leben rettet.
Lernen wir sie doch einmal besser kennen!
Was steckt hinter der gefürchteten „Chemie-Keule“?
Mit dem Ausdruck ist der Einsatz chemisch hergestellter Substanzen gemeint, welche die Hoffnung erwecken, dass sie irgendetwas vernichtend schlagen.
Das Ziel sind meist unschuldige kleine Bakterien oder niedliche Würmer. Könnte man diese Wesen fragen, warum sie im Körper Unheil stiften, dann würden sie wahrscheinlich antworten: „Wieso Unheil? Ich wohn’ doch nur hier!“
Die Gegner der „Chemie-Keule“ interessieren sich jedoch in der Regel nicht für das Wohlergehen kleinerer und oft unsichtbarer Kreaturen. Sie fürchten vielmehr, dass die „Chemie-Keule“ eine nicht besonders präzise Waffe gegen Krankheitserreger und -symptome darstellt und möglicherweise Kollateralschaden an ihrem geliebten Haustier verursacht.
Und wenn wir mal ehrlich sind – ganz ausgeschlossen ist das nicht. Das Modell „Antibiotikum“ aus der „Chemie-Keulen-Familie“ erwischt auch äußerst hilfreiche kleine Darm-Bakterien. Das Modell „Cortison“, oft gegen Juckreiz und unerwünschte Entzündungen eingesetzt, kann auch dem Immunsystem einen harten Schlag versetzen.
Und auch „Chemie-Keulen“, die der Symptombekämpfung dienen, schießen immer wieder mal über ihr Ziel hinaus. Zum Beispiel kann ein Medikament, das nur einen vorübergehenden Durchfall abmildern sollte, dem Darm so deutlich zu verstehen geben, dass übertriebene Peristaltik unerwünscht ist, dass er sich erst zwei Tage später wieder traut, Nahrungsbrei in angemessenem Tempo vorzuschieben.
Genug der Kritik
Aber genug der Kritik, dies sollte ja eine Ehrung der „Keule“ werden!
Denn schließlich setzen wir sie nicht grundlos ein. Sinnvoll angewendet retten „Chemie-Keulen“ täglich Leben!
Geschwächte Patienten könnten ohne sie auch an vermeintlich harmlosen Infektionen verenden.
Antibiotika sichern im Bedarfsfall unsere Operationen ab.
Einige Durchfall-Patienten würden ohne „Chemie-Keulen“ austrocknen wie die Rosinen, langsam an Nährstoffmangel sterben oder zumindest ihre Halter in den Wahnsinn treiben.
Die Liste der Einsatzgebiete für „Chemie-Keulen“ ist lang. Und immer wieder bin ich froh, dass sie mir zur Seite stehen. Sie haben inzwischen schon mehrere meiner besten (zwei- und vierbeinigen) Freunde gerettet!
Und bin ich dankbar, dass es sie gibt, auch wenn eine Waffe immer nur so gut ist, wie der Mensch, der sie führt.
So bleibt uns Tierärzten nur eins zu sagen: „Verehrte Tierhalter, die ‚Keule‘ ist eine ernst zu nehmende Waffe, die mit Bedacht eingesetzt werden will. Aber im Bedarfsfall können wir verdammt froh sein, dass wir sie haben!“
Für die Anwendung am Menschen?
Doch abgesehen von der „Chemie-Keule“ soll es auch noch andere Vertreter der Gattung „Keule“ geben, die uns im Alltag dienlich sein könnten.
Vor allem, wenn einige Tierhalter bei der Behandlung ihres Haustieres den völligen Verzicht auf Chemie verlangen, auch wenn der betreffende Hund ein katastrophales Gebiss aufweist und dieses von Zahnstein und kranken Zähnen befreit werden soll.
In solchen Fällen, soll ein gezielter Schlag mit einer anderen Art „Keule“ dem Tierarzt ermöglichen, in Ruhe eine Zahnsanierung durchzuführen.
Mit diesem doch sehr steinzeitlichen Einsatz einer „Keule“ habe ich noch keine praktische Erfahrung gemacht, da mir die Theorie doch ein erschreckend hohes Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen aufzeigt.
Da setze ich dann doch lieber weiter auf die „Chemie-Keule“, mit der ich deutlich präziser für meine Patienten kämpfen kann.
Und wenn alle Stricke und Nerven reißen, dann bietet sich eine „Keule“ auch für die Anwendung am Menschen an, obgleich wir uns in einer Tierarztpraxis befinden.
Dabei sollten wir im Sinne des Gesetzes aber möglichst auf die verbale „Keule“ zurückgreifen und nicht auf die hölzerne Schlagwaffe, die unsere Vorfahren so vielseitig einsetzten.
Diese hat sicher so manchen Kopf zertrümmert. Nur leider nicht immer den, der es verdient hatte…
Sie fühlen sich davon angesprochen? Denken ähnlich? Oder sind ganz anderer Meinung? Schreiben Sie uns, was Sie bewegt!
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Titelbild: Sidney A. Tordy
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