Durch Corona degeneriert mein Sprachvermögen

(28.08.2020) Was wäre, wenn die Tierhalter uns beobachten könnten, wenn wir mit ihren Lieblingen allein sind? Würden sie uns für verrückt halten? Eine Kolumne von Dr. Dominique Tordy.

Es war ein Traum, Tierärztin zu werden.

Gemeinsam mit den Frauchen und Herrchen – so dachte ich – kämpft der Tierarzt (m/w/d) heldenhaft gegen üble Krankheiten und rettet die geliebten Tiere. Dabei ist dies nur ein Teil unserer Arbeit...

Was wäre, wenn die Tierhalter uns beobachten könnten, wenn wir mit ihren Lieblingen allein sind? Würden sie uns für verrückt halten?

In Corona-Zeiten stellt sich die Frage immer öfter.

Meine Mutter ist Deutschlehrerin und das merkt man mir wohl an.

Meine Kollegin meint, ich verwendete auch im mündlichen Sprachgebrauch „Schriftdeutsch“ und hat damit möglicherweise sogar recht.

Wenn mir beispielsweise ein übergewichtiger Hund vorgestellt wird, teile ich den dazugehörigen Menschen gern in freundlich-sachlichem Ton mit:

„Wahrscheinlich würde es der Gesundheit Ihres Hundes gut tun, wenn er etwas abnehmen würde. Zwei Kilogramm wären ein gutes Ziel. Haben Sie sich schon einmal mit dem Thema beschäftigt?“

Die Halter einer ängstlich-aggressiven Katze könnten während der Behandlung die folgenden, nüchtern erklärenden Worte zu hören bekommen:

„Ich merke, Ihre Katze ist nicht wirklich entspannt. Wir versuchen, ihr mit dem vorsichtig umgelegten Handtuch ein Gefühl von Sicherheit zu geben… Jetzt merkt sie, dass ihr nichts Schlimmes passiert, wenn sie uns gewähren lässt.“

Nach einer kleinen, abschließenden Attacke der Katze könnte ich die Halter noch informieren:

„Dass sie gerade noch einmal nach uns geschlagen hat, ist nicht mehr als eine Warnung, dass sie nicht weiter belästigt werden möchte.“

Und dann kam Corona...

In Corona-Zeiten ist alles anders.

In Corona-Zeiten dürfen die Tierhalter nur unter bestimmten Bedingungen bei der Behandlung dabei sein.

In Corona-Zeiten habe ich immer wieder einige Minuten allein mit meinen Patienten und eventuell noch einer gut bekannten Helferin.

Und plötzlich kommen ganz andere Worte aus meinem Mund. Auf einmal klinge ich, als würde ich mit einem Kleinkind reden!

Zur Begrüßung: „Eiiiii, was bist du ein niedliches kleines Mopselchen! Da hat aber einer einen guten Appetit! So ein gutes Fresserchen bist du? Deine Menschen geben dir bestimmt ganz furchtbar leckere Sachen! Und so viel davon! Aber du bist auch einfach so niiiedlich!“

Und bei der Untersuchung: „Ufftata, bei deinem Mundgeruch fall’ ich ja um! Nu’ zeig doch mal, wie es in deinem Mauli so ausschaut! Ja, fein zeigst du deine Zähnchen – oh, die sehen aber gar nicht gut aus. Wollen wir die wieder richtig weiß zaubern? Dann machst du ein kleines Schläfchen bei uns. Und danach schmeckt das Essen sogar doppelt so gut. Aber du darfst nicht ganz so viel essen, versprichst du mir das?“

Natürlich wird in der Zeit mit dem Dickerchen gespielt und geknuddelt, es wuselt um meine Arme, drückt sich an meine Beine, hopst an mir hoch und schlabbert mir über die Hand.

Wir sind glücklich. Beide. Piepegal, wieviel Speck das Kerlchen um die Hüften trägt.

Auf zur ängstlichen Katze

Meine Konversation mit einer ängstlichen Katze ist dagegen deutlich ruhiger und findet auch nur leise statt. Wir könnten in etwa so klingen:

Die Katze eröffnet den Dialog aus ihrem Korb heraus mit einem warnenden Brummen.

Ich antworte: „Oje, da hat die Königin aber schlechte Laune! Erzähl, was haben sie dir heute getan?“

Während die Katzenbox geöffnet wird, warnt die Katze mit einem leisen Fauchen.

„In den Korb haben sie dich gesteckt? Ohne Decke? Wie gemein! Das werden wir der Mama und dem Papa sagen, dass dir das gar nicht gefallen hat“

Das Fauchen der Katze wird lauter.

„Und dann hat im Wartezimmer noch ein Hund an deiner Box geschnüffelt? So ein stinkender Schuft!“

Meine Helferin legt ein Handtuch um die Katze und hebt sie aus der Transportbox. Ich beginne mit der Untersuchung.

„Und jetzt kommen auch noch sooo viele doofe Patschehände und begrapschen dich! #metoo, sag ich nur! Du bist heute aber auch ein ganz armes Mausi“

Die Katze versteckt ihren Kopf in dem Handtuch.

„Ohhhh, und jetzt kommt noch die böse Piekse-Spritze! Aber gleich hast du es geschafft. Und dann wird es auch ganz schnell besser mit den Schmerzen“

Nun darf die Katze wieder in ihre Box, haut noch einmal mit den Krallen in Richtung Boxentür und schüttelt sich.

„Pfuibah, jetzt müffelst du auch noch nach fremden Menschen! Jaaaa, erst einmal abschütteln und dann zu Hause ganz in Ruhe fein putzen! Gut machst du das!“

Wir Menschen kichern ein wenig und die Katze rollt sich leicht grummelig in ihrer Box zusammen.

Tief durchatmen und los geht’s:

Anschließend übergebe ich Hund und Katze wieder ihren Haltern. Vorher noch einmal tief durchatmen und los geht’s:

„Barney hat sehr gut bei der Untersuchung mitgemacht. Der Maulgeruch, der Ihnen aufgefallen ist, wird von übermäßigem Zahnstein und einer mittelgradigen Zahnfleischentzündung verursacht. Abgesehen davon ist er leider etwas übergewichtig. Darf ich Ihnen einige Tipps an die Hand geben, um sein Gewicht zu reduzieren?“

„Susi hat jetzt ein Medikament gegen die Schmerzen bekommen. Zu Hause können sie die Behandlung mit einem Saft fortsetzen. Vielleicht hilft es Susi, wenn sie nächstes Mal die Box mit einem schönen dicken Handtuch auspolstern und zusätzlich ein dünnes Tuch über die Box legen. Möglicherweise gibt ihr das während des Transports ein besseres Gefühl.“

Wortschatz und Grammatik wiedergefunden ✅

Professionell aufgetreten ✅

Aber lustiger war es vorher…



Sie fühlen sich davon angesprochen? Denken ähnlich? Oder sind ganz anderer Meinung? Schreiben Sie uns, was Sie bewegt!

PS: Kennen Sie auch schon die neuen Websites DOG ROYALZ und CAT ROYALZ, auf denen sich Hunde und Katzen als Mitglieder registrieren lassen können. Highlight dabei ist die tiermedizinische Notfalldatenbank.

Titelbild: Sidney A. Tordy

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